OX #140
164 DIN-A-4-Seiten; € 5,90.- + CD
OX-Fanzine, Postfach 110420, 42664 Solingen
Joachim mutmaßt, dass Nazis heimlich Döner essen, "unsere" Szene unterwandern und fordert, der subversiven "Rechtsverschiebung" entgegenzutreten und wachsam zu sein.
Tom van Laak indes plagen weiterhin Ängste, die er - wie üblich - mit Kräuterzigarette und die ein oder andere Falsche Portwein betäubt. So wie er seinen Alltag aus dem Tagebuch eines Gewinners beschreibt, ist es nicht verwunderlich, dass die ritualisierten nächtlichen Wiederholungen auf deutliche Anzeichen eines Autismus-Spektrum-Störungsbild hinweisen. Denn gestörte soziale Interaktion, beeinträchtigte Kommunikation und Sprache, wiederholte, stereotype Verhaltensweisen und Interessen sind hierbei wesentliche Merkmale, die auch bei Tom zu beobachten sind. FUCKED UP hingegen bleiben motiviert, Musik zu machen und damit Geld verdienen zu können. ADOLESCENTS haben Steves Tod noch nicht verarbeitet, aber solange es Tony gibt, wird es auch die Band geben. Co und Rieke machen Haushalt und Hausmusik mit den BOXHAMSTERS. Co sammelt zu Hause Töne und Worte, bei Rieke werden Gedichte draus. Für Felix Schönfuss (ADAM ANGST) steht fest, dass die Menschen im Internet nur auf der Jagd nach Applaus aus sind und meint die Bestätigung der virtuellen FreundInnen durch das Posten eines Foto, ist aber zuversichtlich, dass die Menschheit mit ihrem Verhalten noch mal die Kurve kriegen wird. BLUT & EISEN waren hart zu sich selbst und gegenüber anderen. Triebi befragt Sänger Schotte nach der Bandgeschichte. Aufgrund des Bandnamens und dem Bismarck-Zitat wurde die Band öfter als Faschoband angefeindet und es kam zu Konflikten mit Publikum und Presse. Ihr Zu Hause war das UJZ Korn in Hannover. Nach der Bandgründung am 01.03.’82 veröffentlichten sie 2 Klassiker-LP's auf Weird System, 1987 war dann zunächst Schluss, bis 1994 “Eine Band nach dem Verfallsdatum” live im Café Glocksee (Hannover) aufgenommen wurde. 2009 gab es im Juz Dampfmühle Verden dann den (endgültigen) Abschlussgig, wo ich mich mit allen Bandmitgliedern unterhielt. BLUT&EISEN spielten Songs der beiden LP’s, die Stimmung kochte, das Publikum grölte die Refrains mit, Bier wurde gespritzt und es hatte für einen Moment den Anschein, we are back in 82.
ANTI FLAG sind mit Amerika an einem Ort, wo sie sich selber in einen Spiegel betrachten und entscheiden müssen, "was unsere Prioritäten sind".
Flo Hayler kann nicht von den RAMONES lassen, betreibt das RAMONES-Museum und hat die RAMONES Lebensgeschichte verschriftlicht, der das Buch lieber als Katalog verstanden haben will, weil es für ihn die "ausformulierte Version" der mehr als 1000 Exponaten im Museum ist.
Gesamteindruck:
Im aktuellen 164-Seiten starken Musikmagazin gibt es massig Interviews, Rezensionen und einige Artikel, die aufgrund der Vielzahl qualitativ unterschiedlich ausfallen, mal oberflächlich oder nachhaltig sind. Für die Orientierung sind mitunter weiterführende Recherchen notwendig, um das geweckte Interesse an einer Band aufrechtzuerhalten, denn hier gibt es bis auf wenige Ausnahmen Momentaufnahmen, die sich leider zu sehr auf einen aktuellen Release beschränken. So wirkt der Inhalt überfrachtet, hat aber mit der Sparte "Variouis Artists" eine Nische, die viele Hinweise auf die Entwicklung von Punk - bezogen auf Musik, LP-Cover, Kunst - liefert und weniger akademisiert, denn mehr subjektiv mit Begeisterung und Enthusiasmus gefüllt wird. Für mich sind es wieder einmal die Biographien von Bands, Musiker*innen, Aktivist*innen und Künstler*innen, die mich besonders interessiert haben, was unbedingt auffällig mit der Retrospektive zu tun hat, inform von langfristigen Aktivitäten und Projekten.