Eine Hommage an die Prokrastination, den ewigen Widerstand und das daraus resultierende kaputte Leben.
Die Erkenntnis, dass mensch nicht immer dagegen sein muss, aber dennoch immer dagegen sein sollte. Endlich wieder ballern, endlich wieder Paranoia. In diesem Sinne - komm rauf auf die Insel, bau
dir was auf…
Eine simple Frage zu Beginn: Woran denkst du bei dem Wort „Frittenbude“? Vielleicht an eine ältere Frau im Kittel, die Currywurst und Pommes verkauft. Und das ist auch ein schönes Bild! Vielleicht aber auch an eine Band, die mit ihrer lebenslustigen Rebellion seit nunmehr 13 Jahren gegen die Erkenntnis ankämpft, dass das Leben nicht immer schön ist und dennoch zelebriert gehört. Widersprüchlich und immer fragend, süchtig nach Leben und der Sucht an sich, einvernehmlich unzufrieden mit den herrschenden Zuständen und dennoch latent glücklich. Das nun erscheinende Ergebnis dieser 13 Jahre und eines gemeinsamen Sommers im Studio heißt „Rote Sonne“ und ist ein Album, welches die angesprochenen Widersprüche der Band perfekt einfängt und wiedergibt: Mal kryptisch, mal plakativ ziehen sich die Texte des Sängers Johannes Rögner durch das stimmige aber experimentierfreudige Soundbild von Martin Steer und Jakob Häglsperger. Wut trifft auf Liebe, Sucht auf Klarheit und Aggression auf Lässigkeit. Denn zu wissen, dass man kämpfen muss, führt nicht automatisch zu Bitterkeit. Selten hat man dieses Lebensgefühl so deutlich gespürt wie auf diesem Album. Und dafür gibt es Gründe:
„Rote Sonne“ ist ein Mutant, der sich im Spätsommer 2018 durch die Boxen und Möbel des lichtdurchfluteten Studios kämpfte und auch im Frühjahr 2019 durch eure Boxen schallen wird, immer auf der
Jagd nach neuen Facetten und auf der Flucht vor den ihn verfolgenden Schubladen. Denn sind wir mal ehrlich: Eine Band, die in keine Schublade passt – da sieht der ein oder andere Journalist doch
astreines Schubladenpotenzial! Dabei ist es relativ einfach, dem Album einen Stempel aufzudrücken: Es ist ein Lieblingsalbum. Sowohl für die Hörer, als auch für die Band. Das schon immer ernst
gemeinte Spaßprojekt „Frittenbude“, hat sich mit „Rote Sonne“ gefühlt auch aus einer zuvor selbst erschaffenen Melancholie und dem Musikbusiness-Strudel befreit und positioniert sich damit
endgültig als eine Gruppe fernab jedes festgelegten Kosmos. Es ist ein ur-eigener Sound, der hier zur Perfektion getrieben wurde. Nach einigen Soloprojekten, einer gemeinsamen Reise nach Nepal
und auch etwas Abstand voneinander und der eigenen Selbstwahrnehmung, haben sich Johannes, Martin und Jakob Anfang des Jahres erst einmal zusammen in ein abgeschiedenes Haus in der Uckermark
gesetzt und geschaut, wo die musikalische Reise überhaupt hingehen könnte. Denn straight nach oben ging sie jetzt schon lang genug. Mit viel Whiskey und Wein, einer MPC, ein paar Gitarren und
Textfragmenten saß man zusammen und ließ den Funken überspringen. Das Ergebnis ist eine Platte voll berauschter Glückseligkeit, die Freund und Feind nie aus den Augen verliert.
Egal ob die erste Auskopplung „Die Dunkelheit darf niemals siegen“ (feat. Jörkk Mechenbier von Love A), welche mit ihrer präzisen Aufarbeitung der oft klischeehaft beschriebenen
Zeitgeist-Probleme messerscharf durch die braunen Blöcke schneidet und oftmals die eigenen bunten Blasen zum Platzen bringt oder der Titeltrack „Rote Sonne“, mit seinen Referenzen auf all die
Schönheit und Grausamkeiten, die der Begriff „Rote Sonne“ eben so mit sich bringt - oft tut es weh, so viel Wahrheit zu hören. Im Titeltrack „Rote Sonne“ mischen sich die Verweise auf einen der
früheren Stammclubs der Bands in München, einen Trash-Film mit Uschi Obermaier, den Sommer, die Liebe, die Gefahr und die Revolution. Drunter machen es Frittenbude auf diesem Album nicht. Die zweite Single „Süchtig“ verhandelt die Fragen nach
den notwendigen und überflüssigen Süchten unserer Gesellschaft neu und packt sie in ein mal grausames, mal romantisches Gewand. Dennoch ist die Band auch wieder in positivere Gefilde
vorgedrungen, darin liegt die eigentliche Kunst der Platte. Liebeslieder wie „Emma“ oder aufrüttelnde Kracher wie „Kill Kill Kill“ schaffen es, die Ernsthaftigkeit der Themen in ein leichtes,
lockeres Gewand zu packen und sorgen damit endgültig für ein Gefühl des Ankommens. Für Fans und Interpreten gleichermaßen. Und das fühlt sich gut an.
Aus den Jungs, die ihr erstes von inzwischen fünf Alben im eigenen Jugendzimmer produzierten, sich durch die Jugendzentren und Clubs des Landes spielten und sich immer lieber den Höhen und Tiefen
statt der Monotonie hingegeben haben, ist eine Band geworden, die trotz des jahrelangen Hypes zu ihren Überzeugungen steht: DIY, Haltung beweisen und kein Applaus für Scheiße. Nicht gerade die
schlechtesten Prinzipien in dieser Musikwelt.
(von Juri Sternburg)