Der Blutharsch and the infinite church of the leading hand
Wish I weren't here LP/CD
WKN
Neben der britischen Neo-Folk-Band Death in June adaptierte auch Der Blutharsch das martialische und ästhetisch proto-faschistische Auftreten. Der Blutharsch war ein kontroverses Musikprojekt von
Albin Julius, das wegen der spielerischen Umgangs mit totalitärer und nationalsozialistischer Ästhetik umstritten war.
Mit einem rechtsgültigen Urteil durfte mensch die Band gar als "Neonazi-Band" bezeichnen. Das Gericht begründete das mit dem gesamten Auftretens und Verhaltens der Band, was darauf schließen lässt, dass es sich um eine Band aus dem Neonazi-Milieu handelt. Kunst und Provokation oder NS-Verherrlichung? Auf dem hauseigenen Label WKN ("Wir Kapitulieren Niemals") veröffentlichte die Gruppe je eine Split-Single mit den italienischen RechtsRock-Bands "Zetazeroalfa" (2003) und "Sotto Fascia Semplice" (2008). 2010 wurde das Military-Pop-Musikprojekt beendet.
Bruch, (Gesinnungs-)wandel und neues Konzept
2010 geht Julius mit Der Blutharsch neue Wege, verlässt den Kinky March Music-Modus und definiert sich neu. Mit dem Zusatz and the infinite church of the leading hand ändert sich auch die
musikalische Ausrichtung hin zu Psychedelic,(Kraut-)Rock und Darc Ambiente. Wummernde, monoton-hämmernde Beats und Riffs, zu denen Marthyana in beinahe ritualisierter Art ruhig, besonnen und
versunken wirkt, also ob sie in esoterische Sphären eintaucht und wie hypnotisiert "You came for me" flehend und sehnsüchtig akzentuiert. Sicher ist, dass der einstige martialische
deutsch-nationale Habitus verflogen ist, doch heuer der diskursive Ansatz erhalten bleibt. Die Kleidung ist anders, die Gesinnung ist gleich? Kunst und Provokation, Ironie und das Spiel mit
ideologischen Denkmustern? Eine gefährliche Gratwanderung in der Vergangenheit, die immer noch Denkanstöße, Räume und Emotionen liefert. Was fehlt ist eine glaubhaft, nachzuvollziehende
Abgrenzung von extrem rechten Welten, die Albin genährt hat. Und Ironie als eingesetztes Mittel täuscht nicht darüber hinweg, dass du verantwortungslos handelst und ein Milieu schaffst, in dem
Altnazis, Identitäre ein Grauzone schaffen, um hier einen Raum für Zusammenarbeit, Kooperation und gemeinsame Entwicklungen zu etablieren, jenseits des eigenen braunen Sumpfes heraus. Julius
alleine darauf zu beschränken, ist sicherlich falsch, aber nicht abwegig. Zumindest scheinen sie live keine alten Lieder in martialischer Machart mehr zu spielen, was vor allem die alte Klientel
vergraulen, und eine neue aufbauen wird. Doch vor der eigenen Vergangenheit kann mensch nicht fliehen, oder sie auslöschen. In den meisten Fällen holt sie dich ein.
Mit "Wish I weren't here" ist davon noch nichts zu spüren. Im Gegenteil...ist das künstlerisch gewobene Klangbild Ausdruck von religiöser Spiritualität, psychedelischer Eleganz und
verführerischem Glanz im Dark-Drone-Ambiente mit Green Glow-Effekt, laut Eigendefinition ganz allgemein auch Gristle Math Rock genannt.
"Uniforms are always changing, Rock and Roll will stay forever" blinkt auf der Homepage auf. "Die Kleidung ist anders, die Gesinnung ist gleich" haben RAZZIA gesungen. Letzten Endes ist alles
eine Frage der Perspektive und der Einstellung.