Mehr als 40 Menschen treiben auf einem Schlauchboot, bereits seit Stunden, viele sind seekrank. Doch dieses Mal sprechen wir nicht vom Mittelmeer, sondern von einem Experiment, das mitten in Deutschland stattfindet.
In Zusammenarbeit mit über das Mittelmeer Geflüchteten und basierend auf ihren Erfahrungen hat Sea-Watch gemeinsam mit einer Werbeagentur einen Versuchsaufbau angelegt, um auf die stetig wachsende Lebensgefahr für Flüchtende an der tödlichsten Grenze der Welt aufmerksam zu machen und die Notwendigkeit ziviler Seenotrettung aufzuzeigen:
40 Freiwillige haben an der Simulation einer Mittelmeerflucht teilgenommen und sich für Stunden in ein überfülltes Rettungsboot begeben, um die Torturen der vielen flüchtenden Menschen zumindest im Ansatz körperlich und emotional nachzuempfinden.
Die Regie des Experiments übernahm Skye Fitzgerald, der für seine Kurzdoku über Sea-Watch in diesem Jahr für einen Oscar nominiert war.
Auch wenn „LIFEBOAT - Das Experiment“ höchstens einen Hauch der Ungewissheit und Gefahr erahnen lässt, der Flüchtende auf dem Mittelmeer ausgesetzt sind, erzeugt es eine neue Perspektive auf eine
der größten politisch-humanitären Krisen unserer Zeit. Denn die Fluchtroute über das Mittelmeer ist tödlicher denn je: Weil Europa Migrationsverhinderung über die Wahrung der Menschenwürde stellt
und Seenotrettung weitgehend unterbindet, hat sich im vergangenen Jahr die Todesrate und die Anzahl der Vermissten mehr als vervierfacht. Allein 2018 sind mindestens 2.277 Menschen während ihrer
Flucht über das Mittelmeer gestorben.
Das Experiment legt zugleich den Finger in die Wunde europäischer Wertvorstellungen: Würde die EU auch weiße Menschen mit europäischem Pass an ihren Außengrenzen ertrinken lassen?
Wie kann es sein, dass sie bei der Rettung von Schiffbrüchigen einen Unterschied macht, je nachdem, welcher Nationalität sie angehören?
Nahezu zeitgleich zu den Dreharbeiten erinnert uns Europas tödliche Grenzpolitik daran, dass was im Mittelmeer passiert kein Experiment ist, sondern Realität: Erneut gerät ein Boot in Seenot,
auch nach 24 Stunden bleibt ihr Hilferuf unbeantwortet, weigert sich die EU, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Bis heute ist der Verbleib der Schiffbrüchigen ungeklärt.