Bundesregierungen erlassen Gesetze, die kontinuierlich Grund- und Freiheitsrechte abbauen, indem Überwachung ausgedehnt wird. Häufig erfolgten diese, wenn PolitikerInnen Gefährdungspotenziale eindämmen wollten.
Ihre Antworten darauf waren im Namen der "Sicherheit" Anti-Terror-Dateien, Rasterfahndung, Vorratsdatenspeicherung, Videoüberwachung. Bislang fehlen Belege und Nachweise, inwieweit diese "Sicherheits- und Präventionsmaßnahmen" überhaupt Straftaten verhindern. Anstelle dessen werden BürgerInnen unter Generalverdacht gestellt. Alle sind potenzielle TerroristInnen. Du bist im Supermarkt, kauft Backpulver, Kleber, Rührbesen und Spiritus? An der Kasse bezahlst du mit deiner Payback-Karte, die Daten werden gespeichert1 und an die Geheimdienstbehörde weitergegeben. Am nächsten Morgen stürmen Bundespolizei- und Spezialkräfte deine Wohnung, weil du in Verdacht stehst, einer Terrorzelle nahe zu stehen. Pech, weil deine Einkaufsliste verdächtige Teile enthielten, mit denen du Bomben bauen könntest. Aber du hast keine Chance, dich zu erklären, weil du doch Zutaten für eine Kindergeburtstagsfeier eingekauft hast und nun außer Gefecht gesetzt worden bist.
Willkür und innere Sicherheit sind eng miteinander verknüpft. Insbesondere die Polizei erfährt derzeit eine starke Aufrüstung. In mehreren Länderpolizeigesetzen sind mitunter Instrumente wie eine erweiterte DNA-Analyse, der Staatstrojaner und ein eigenes V-Personen-System möglich gemacht worden. Bundesländer verschärfen Polizeigesetze. PolizistInnen sollen nicht erst einschreiten, wenn eine konkrete Gefahr besteht, sondern wenn sie sich abzeichnet. Als das neue bayerische Polizeigesetz im vergangenen Mai verabschiedet wurde, hieß es von Bürgerrechtlern, das sei das schärfste Polizeigesetz in Deutschland nach 1945. PolizistInnen dürfen Personen für mehrere Monate in so genannte Präventivhaft nehmen, sie dürfen DNA auf das Geschlecht, die Augen-, Haar-und Hautfarbe, das biologische Alter und die biogeographische Herkunft untersuchen. Sie dürfen Drohnen und Videoüberwachung einsetzen und sie dürfen mit sogenannten Bodycams ihre jeweiligen Gegenüber filmen. Alles früher, also noch bevor eine konkrete Gefahr vorliegt.
„Als konkrete Gefahr wird eine Sachlage bezeichnet, welche bei ungehindertem Geschehensablauf und in überschaubarer Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden führen wird.“
Wenn du also bereits aus dem Haus gehst, um anschließend mit dem eigenen Auto, dem Rad, Bus oder Bahn zum Supermarkt fahren willst, um einzukaufen, wirst du bereits in der Wohnung zum potenziellen Terrorist kategorisiert und vorsorglich, im Namen der Sicherheit, überwacht. Denn ein Telefonat mit der Freundin, dem Bekannten hat dich enttarnt. Sätze wie "in die Luft jagen", Wörter wie "Bombenstimmung" haben dich verdächtig gemacht. Von dir geht eine konkrete Gefahr aus, weil du tatsächliche Anhaltspunkte dafür lieferst, dass von dir aus eine Straftat gegen Leib und Leben oder andere Rechtsgüter gemacht wird. Dabei hast du lediglich eine Kindergeburtstagsfeier organisiert und dich darüber mit der Freundin/dem Bekannten unterhalten. Aber du kannst dich nicht mehr erklären, denn bevor du das Telefonat beendet hast, stürmen BundespolizistInnen und Spezialkräfte deine Bude und haben dich unschädlich gemacht.
Kann es überhaupt ein Mehr an Sicherheit geben? Es gibt klein absolute Sicherheit und auch keine Garantie dafür. Jedes Bundesland kocht sein polizeirechtliches eigenes Süppchen. Spezialeinheiten der Polizei, die in der Vergangenheit bereits bei Demonstrationen zum Einsatz kamen, dürfen in Zukunft mit Handgranaten und Maschinengewehren ausgestattet werden. Kriegszustand in den Städten. Die neuen Gummiparagrafen zur Terrorabwehr laden gerade dazu ein, Missbrauch zu betreiben und (kritische) JournalistInnen, Fußballfans, AktivstInnen und Engagierte als "Gefährder" einzustufen und mit massiven Repressionen und Überwachung zu überziehen. Beispielsweise wurden Anti-Abschiebe-AktivistInnen in Großbritannien unter Terrorverdacht gestellt2 oder Anti-Terror-Maßnahmen gegen französische KlimaaktivistInnen angewandt3.
Wenn du also deinen nächsten Einkauf oder eine Feier planst, dann kann es durchaus sein, dass du den entsprechenden Behörden besorgniserregende Hinweise dafür lieferst, einE TerroristIn zu sein und dafür im Vorfeld, quasi zur Prävention einer Gefahr, mit Explosivmittel beiseite geräumt wirst. Demnächst werden dann Abtreibungen vorgenommen, weil du bereits im Mutterbauch Anzeichen für Gefahrenpotenzial erkennen lässt. Und dann gehen nicht nur AbtreibungsgegnerInnen auf die Straße, um ihren Protest gegen diese Gesetze zum Ausdruck zu bringen.
Fußnoten:
1. Payback gewährt KundInnen wenig Rabatt und bekommt dafür viele Informationen. Legt der/die VerbraucherIn beim Einkauf die Kundenkarte vor, ist sie/er nicht mehr anonym Aus den im Kartenantrag freiwillig gemachten persönlichen Angaben können zusammen mit den Umsatzdaten Nutzungs- oder sogar Kundenprofile erstellt werden. Wer die Geschäftsbedingungen unterschreibt, willigt ein, keinen Einfluss mehr darauf zu haben, wer alles von der letzten Shoppingtour erfährt. ↩
2. http://www.taz.de/Britische-Fluechtlingsaktivisten-vor-Gericht/!5543754/ ↩