In Brandenburg und Sachsen wurde gewählt. Der Aufstieg von ganz rechts bis in die Mitte der Gesellschaft kommt nicht überraschend oder von ungefähr.
Das öffentlich-rechtliche Radio Český rozhlas analysierte die Strategie hinter dem AfD-Score:
"Das Wesentliche dieser Strategie ist es, die politische Union zwischen DDR und Deutsche Demokratische Republik als ein Scheitern auf der ganzen Linie darzustellen. Diese neue alternative Vision hat viele Ostdeutsche verführt. Die neue Partei erscheint ihnen als politische Kraft, die sich um ihr Schicksal kümmert. Diese Methode hält die Barrieren zwischen Ost- und Westdeutschen aufrecht. Die AfD verstärkt diese Barrieren, indem sie insbesondere das Misstrauen der Bürger gegenüber nationalen Medien oder etablierten politischen Institutionen schärft. Aber sie auch mit nostalgischen Erinnerungen an die sogenannte Stabilität in der DDR vor 1989 zu trösten. Eine Strategie, die ihm ein Viertel seiner Wähler einbrachte."
Wilhelm Heitmeyers Langzeituntersuchung "Deutsche Zustände"1 zeigte auf, wie weit antidemokratisches Denken und "Gruppenbezogene
Menschenfeindlichkeit" gerade in der Mitte der Gesellschaft verankert ist. Erinnert sei auch an Adornos Mahnung, dass das Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie als potenziell
bedrohlicher einzuschätzen ist als das Nachleben faschistischer Tendenzen gegen die Demokratie. Und der Faschismusforscher Roger Griffin schätzt den "Extremismus der
Mitte" als gefährlicher ein, da er sich im demokratischen Spektrum verortet, eben weil er "von vielen Bewohnern der westlichen Welt als Normalität und Gemeinsinn" erfahren
werde.
Amoralität und Gemeinsinn als Synonym für eine Verrohung von rechts. Schlussfolgerung: Je mehr AfD-Funktionäre verbal entgleisen, desto weniger schadet es der Partei. Und die
Medien? Sie geben den Antidemokrat*innen Raum, ihre Positionen und Parolen zu verbreiten. Ein wesentlicher Garant dafür, dass sich Menschen, die rassistische, antisemitische und völkische
Einstellungen haben, darin ermutigt fühlen mussten, bei der nächsten Wahl ihre rassistischen Einstellungen auch in rassistische (Wahl-)Handlungen umzusetzen. Was für eine Gesellschaft soll das
sein? Eine Gesellschaft, die meint, rassistische und völkische Positionen – die gegen Grundnormen der Verfassung wie Art. 1 – "Die Würde des Menschen ist unantastbar" –
und Art. 3 des Grundgesetzes – "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich" - verstoßen und damit außerhalb des demokratischen Kosmos stehen – seien diskutierbar, läuft
Gefahr, ihren demokratischen Kern selbst zu zerstören.
Am Tag der offenen Tür im Niedersächsischen Landtag verteilte die AfD mit AfD forte 18 Minzdragees "zur Behandlung von leichter bis schwerer Volksverdummung". Also, wenn die Wähler*innen
jetzt nicht kapieren, wohin der Wind sich dreht, dann bekommen sie bald nicht nur Kopfschmerzen oder Durchfall, sondern müssen sich ernsthaft fragen lassen, warum sie an einem schleichenden
Prozess der Entdemokratisierung mitwirken und in Kauf nehmen, dass in einem dichten Nebel der Gerüchte die eigene völkische, rassistische und antisemitische Weltsicht schleichend verankert
wird.*
Wir müssen dringend über Rassismus diskutieren – und ebenso dringend wieder aufhören, dies mit Rassist*innen zu tun.
* DIE LINKE hat ein Gegenmittel auf den Markt geschmissen. AfD-Wähler*innen und -funktionäre (nicht nur in Sachsen) dürfen zugreifen: