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Tierbefreiung #104

Tierbefreiung #104
Tierbefreiung #104

Tierbefreiung #104
68 DIN-A-4-Seiten; €4,00.- 
die tierbefreier e.V., Postfach 160132, 40564 Düsseldorf
http://www.tierbefreiung.de/
Das Redaktions-Kollektiv der Tierbefreiung beschäftigt sich eingehend damit, welche Konsequenzen der im religiösem Glauben verankerte Traditionalismus für die (Tierbefreiungs)Bewegung hat.

Alan Schwarz macht zunächst deutlich, dass die angeführte Religionskritik nicht als Werbung für Atheismus oder Agnostizismus gleichzusetzen sei, die auch 'nur' Glaubenssysteme beschreiben würden.
Ina Schmitt stellt biblische Zitate in einen Bezug zur Tierethik und belegt, wie und was die katholische und evangelische Kirche unter dem Tier-Mensch-Verhältnis versteht und konsterniert, dass 'bis heute unverändert am biblischen Machtgefüge festgehalten (wird).' Im Namen der Religionen werden Kämpfe geführt, Individuen auch aufgrund ihrer Religion unterdrückt und ausgebeutet. Religionen liefern hierfür die Legitimation für 'autoritäre Gesellschaftssysteme'.
Colin Goldner kritisiert das Kinderbuch 'Was für ein Gewimmel', ein Werbebuch für die Berechtigung von Zoos, das gottoffenbarende Naturbetrachtungen propagiere. Des Weiteren entmystifiziert Colin den Aberglauben von dem 'Teufelstier' Fledermaus, die im christlichen Mittelalter als Hexen- und Dämonenwesen galt, als Symbol des 'Bösen' und erinnert an die aus Polen stammende Künstlerin Krystyna Jankowska, die in ihrer Skulptur die Fledermaus aus dem Bereich des Verfemten herausgeholt hat. Das "Teufelstier" in Gestalt einer gotischen Madonna gilt als künstlerische Provokation und Blasphemie.

Das "Teufelstier" in Gestalt einer gotischen Madonna
Das "Teufelstier" in Gestalt einer gotischen Madonna

Alan Schwarz begreift Religionskritik als Autoritätspolitik. Er sieht die eigentliche Gefahr, die von Religionen ausgeht, in der Konstellation der Dreifaltigkeit von Dogma, die zu einer 'unweigerlichen Erhärtung anti-emanzipatorischer Denkmuster führen'.
Daniel Lau beschäftigt sich mit Religion, Kult, Glaube, Philosophie als Modelle, die er als Ontologien bezeichnet und im Artikel erklärt. Es geht letztlich um die Frage, wie mensch die Welt anschaut. Möchte mensch sich mit den Objekten selber befassen? Abschließend macht Tom Zimmermann klar, dass Veganismus keine Religion sei. Es gibt gibt durchaus eine religiöse Begründung für einen tierleidfreien Veganismus. So kann hier auf Albert Schweitzer verwiesen werden, der die Auffassung von einer "Ehrfurcht vor dem Leben" entwickelte. Die Ablehnung von Fleischkonsum und Tierausbeutung ganz unterschiedliche Ursachen haben kann. Es lassen sich dafür gesundheitliche, ökologische, politische, soziale wie tierethische Gründe ausmachen. Darüber hinaus kann die gemeinte Auffassung emotional, rational, religiös oder wissenschaftlich vorgetragen werden. Ausgehend davon, dass Religion ein Glaubenssystem ist, in dem mensch auf eine übersinnliche Wesenheit orientiert ist, kann Veganismus keine Religion sein, denn im Veganismus selbst gibt es keine Fixierung auf eine übersinnliche Wesenheit. Veganismus hat, sofern ethisch und politisch begründet, nichts mit Religion zu tun, weil in diesen Denkmustern und Argumentationslinien ein autoritäres System abgelehnt wird, in dem Unterdrückung und Ausbeutung, Machtverhältnisse reproduziert und sichtbar werden.

Gesamteindruck:

Wer gern die gewohnten (Denk-)Trampelpfade verlässt, ist hier genausogut aufgehoben wie im Bereich von spekulativen Theorien und vor nichts zurückschreckenden Hinterfragungen. Was dem Schwerpunkt noch ergänzend fehlt, sind Beispiel von Tieropfer in Religionen, in denen das Töten oder Verstümmeln von Tieren zu ritualistischen Zwecken legitimiert wird. Das Blut der geopferten Tiere sollte die Menschen von Sünden befreien und reinigen. Sowohl im Judentum als auch im Islam spielt das Blut eine besondere Rolle. Für die Jud*innen befindet sich im Blut die Seele eines Lebewesens. Aus diesem Grund dürfen sie kein Blut verzehren. Deshalb müssen die Tiere, die mensch essen will, geschächtet werden, damit alles Blut aus dem Körper entweichen kann. Dieses Thema wird in der aktuellen Ausgabe gänzlich ausgeklammert. Die politische Gemengelage zwischen Tierschutz/Tierrecht und Religionsfreiheit kompliziert. Auch im Hinblick auf Haustiere zeigt sich heute ein neues Verhältnis zwischen Mensch, Tier und Religion. Und Tiere in den Religionen werden in der Schwerpunktausgabe ebenfalls vernachlässigt. Massentierhaltung, Schlachtviehtransporte oder die hochtechnisierte Jagd auf aussterbende Tierarten werden in unserer Gesellschaft zunehmend als anstößig empfunden. Eine religiöse Begründung für dieses Verantwortungsbewusstsein wird in unserer aufgeklärten Welt jedoch nicht gesucht. Auch weiterführende Tipps zum Thema fehlen leider gänzlich. Immerhin bietet der Themenschwerpunkt die Erkenntnis und diskursive These, dass Tierbefreiungsarbeit immer und grundlegend Religionsbefreiungsarbeit sein muss. Aus tierrechtlicher Sicht vertreten Kirchen und religiöse Glaubenssysteme strukturell tierfeindliche Positionen, die die ideologische Grundlage abgeben für die herrschenden Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse, unter denen nichtmenschliche Tiere weltweit leiden.