TRUST #198
68 DIN-A-4 Seiten; €3,00.-
Trust Verlag, Dolf Hermannstädter, Postfach 110762, 28087 Bremen
https://trust-zine.de/
Dolf rezitiert Aristoteles und macht sich Gedanken zum Thema Zucker in Verbindung mit TV-Werbung und und Manipulation der Konsument*innen.
Jan Röhlk reist nach New Orleans, um die QUEERS zusammen mit den DICKIES zu sehen, checkt ins gleiche Hotel ein, wo Johnny Thunders starb und besucht auch sonst gerne die letzten
Ruhestätten ehemaliger Musik-Prominenz, um dann von Bukowski über Baukunst der alten Ägypter bis hin zum Aus eines unwahrscheinlich gewordenen Colt Seavers-Revival zu schwadronieren, wobei die
Genbankensprünge bei ihm nachvollziehbar sind im Gegensatz zu Menschen mit einer bipolaren Störung.
Jan ist im Anschluss auf der Suche nach der richtigen Porno-Interviewpartnerin, die zwischen 'Schlüsselloch-sabber-lechz' und rein intellektuelles Gespräch ins TRUST-Schema passt und findet in
Larkin Love eine Femdom-Queen, die für ihn ein "hervorragendes Beispiel für die abweichende MILF ist, die genau weiß, was sie will". Jans ausführliche Erklärungs- und
Motivationsgründe klingen mehr nach Entschuldigungen und Rechtfertigung, als nach feministische Pornografie oder Pornokritik in der Theorie, gleichwohl Larkin Love der Meinung ist, alle Pornos
seien feministisch, 'sogar Handlungen, die du unattraktiv findest oder fern von Bereichen liegen, die du genießen würdest!" Leider bleibt diese diskursive These unkommentiert und verschweigt die
reproduzierten diskriminierenden Geschlechterrollen-, -Stereotype in der Mainstream-Pornografie. Das ist sehr schade, denn zumindest wäre es in diesem Kontext interessant, alternative Pornos mit
der Branche und ihrer stereotypen Repräsentation von Frauen zu vergleichen.
Lars Schubert unterhält sich PRIMETIME FAILURE, die zugeben, dass sie mit dem Skate-Punk-Sound das Rad nicht neu erfinden, was auch auf F.O.D. zutrifft, die ihren Musikstil nie
verändert haben, sie sich selbst aber "verändern und weiter wachsen".
Ein Vortrag zum Thema "Frauen auf der Flucht" in Bremen war für Dolf ein Grund, ein Interview mit Rana Ahmad sowie zwei Gründungsmitgliedern von Atheist-refugees zu
führen. Rana ist eine in Saudi-Arabien geborene Frauenrechtlerin, Atheistin und Ex-Muslimin, die 2015 nach Deutschland floh. Ihre Flucht wurde in ihrer Autobiographie "Frauen dürfen hier nicht
träumen" beschrieben. Der Verein "Säkulare Flüchtlingshilfe" wurde gegründet, weil es im Umgang mit religionsfreien Flüchtlingen gravierende Missstände gibt, die behoben werden müssen. Säkulare
Flüchtlinge können sich trotz ihrer besonderen Bedrohungslage oft nicht sicher sein, ob ihnen das Recht auf Asyl in Deutschland gewährt wird. Wenn ein Muslim zum Christentum konvertiert, verlässt
sich die Behörde im Asylverfahren auf das Urteil des örtlichen Pfarrers. Es geht grundsätzlich um Anerkennung der Apostasie als Asylgrund.
Des Weiteren besucht Claas Reiners Ausma in ihrem GOLDEN SHOP in Bremen, beschreibt ihre Philosophie zum Laden, der auf 2 Etagen gut bestückt ist mit (politischen)
Büchern, Comics, Platten, Kassetten und etwas Bekleidung in heimeliger Wohnzimmeratmosphäre.
Abschließend gibt es ein Interview mit THE RAWS, eine 2007 in Istanbul gegründete Garagen-Trash-Band, die immer noch hungrig sind nach Hedonismus und Songs haben über Schlangen
und eine der größten politischen Hymne von Ruhi Su covern.
Gesamteindruck:
Punk, Porno, Religion(skritik). Wo auf der einen Seite die Kritik an patriarchale Strukturen fehlt (Porno), wo sich anderswo die eigene Szene feiert und Selbstbestätigung die Regel ist (Punk), befinden sich in einer enttäuschten, rationalisierten Welt von Regeln und Vorschriften auch sehr gute Ansätze, sich der HERRschaft zu widersetzen (Religionskritik). Wut und Protest sind immer noch die Grundlage für (Selbst)Ermächtigung und Authentizität. Ungeachtet dessen fehlt es inhaltlich an einer Unzufriedenheit von der politischen Ökonomie, die potenzielle Meinungsverschiedenheiten berücksichtigen. Dennoch lassen sich durchaus ungewollt Widersprüche entdecken, die mehr als bloße Glaubensbekenntnisse für die eigene (Sub-)Kultur liefert.