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LOTTA #76

LOTTA #76
LOTTA #76

LOTTA #76
68 DIN-A-4-Seiten; € 3,50.-
Lotta, Am Förderturm 27, 46049 Oberhausen
www.lotta-magazin.de
Der Schwerpunkt dieser LOTTA-Ausgabe gibt einen Einblick in die Vernetzung und Rolle der Verbinder innerhalb der extremen Rechten. Er ersetzt keine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Thema männerbündische Verbindungen, sondern will ergänzend zu der bereits vielfach vorhandenen guten verbindungskritischen Literatur die aktuellen Entwicklungen beleuchten.

Sonja Brasch untersucht Studentenverbindungen und ihre Rolle im Netzwerk der völkisch-autoritären Sammelbewegungen. Studentenverbindungen gibt es in verschiedenen Ausprägungen, Burschenschaften sind eine davon. Die verschiedenen Arten von Studentenverbindungen unterscheiden sich in Manchem voneinander, sie haben aber auch ihre Gemeinsamkeiten. Gemeinsamkeiten, die im 19. Jahrhundert ihre heute gültige Form erhalten haben und die Burschenschaften mit allen anderen Studentenverbindungen teilen. Sonja konsterniert, dass für die Verbindungsstudenten heute hauptsächlich die AfD zur parteipolitischen Plattform geworden ist, wobei insbesondere der völkische Flügel der Partei um Björn Höcke als ein Teil des rechten Netzwerkes zu begreifen ist, dem die Deutsche Burschenschaft ebenso zugehörig ist wie die Identitären, das Institut für Staatspolitik, Magazine wie Junge Freiheit, Compact, Sezession und PEGIDA- Hier knüpft Paul Krämer an, der die Rolle der Deutschen Burschenschaft in der extremen Rechten untersucht und feststellt, dass 'verschiedene Elemente des Netzwerks verschiedene Aufgaben übernehmen und dabei Synergieeffekte zum Tragen kommen.'
Kilian Behrens untersucht 'die Rolle von Korporierten in den Parlamenten'. Ein Blick in die Riege der Mitarbeiter der AfD im Bundestag zeigt, dass eine Reihe AfD-MdB und -Mitarbeiter unterschiedliche Verbindungen haben, darunter mindestens vierzehn Burschenschafter und einzelne aus Landsmannschaften und Corps. Die Korporierten in der AfD vernetzen sich zunehmend. Eine besonders wichtige Rolle spielt bei einer Partei natürlich die politische Ausrichtung, bei Korporierten in der AfD wären das zum Beispiel die Organisierung in der Identitären Bewegung, in völkischen Kreisen oder in christlich-fundamentalistischen Gruppierungen. In den Reihen der sich innerhalb der AfD organisierenden Korporierten finden sich auch Angehörige von Sängerschaften, des Wingolf und sogar einer Damenverbindung. Wenig verwunderlich finden sich fast ausschließlich Männer in der Akademikerverbands-Initiative der AfD. Frauen sind in der AfD in der Minderheit und aus den männerbündischen Verbindungen fast immer ausgeschlossen.

Gesamteindruck:

Bis vor Kurzem galten Burschenschaften und Korporierte als politisch erledigt in Deutschland. Nun steigt ihr Einfluss wieder – dank der AfD. Die Deutsche Burschenschaft ist bis heute der größte Dachverband der Burschenschaften. Ein Männerbund mit dem Wahlspruch 'Ehre – Freiheit – Vaterland', in dem deutsche Gebietsansprüche gegenüber Nachbarstaaten auch nach 1990 noch diskutiert wurden und die Ehre der Wehrmachtssoldaten hochgehalten wird. Ihr Bedeutungsverlust in der Bundesrepublik war vor allem den gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen im Gefolge von 1968 zu verdanken. Die Wahlerfolge der AfD spülen nun erneut Rechte und Reaktionäre aller Couleur in die Parlamente, die sich durch die Wahlerfolge der AfD als Sammelbecken und Plattform im Aufwind und Aufbruch sehen. Denn in der AfD finden Korporierte bzw. ihre Themen von Nationalismus, Wirtschaftschauvinismus, Einwanderungs- und Muslimfeindlichkeit, Demokratie-, Medien- und Europakritik, sowie eine antifeministische Agenda ein breites und öffentlichkeitswirksames Forum. Der Schwerpunkt zeigt in besorgniserregender Art und Weise, welche Rolle Burschenschafter und andere Korporierte bei der Verschiebung des politischen Klimas in Deutschland spielen, und dass es heutzutage zum Standardrepertoire antifaschistischer Kritik gehört, sich mit diesem Spektrum zu befassen.