Götz Widmann
Tohuwabohu
Ahuga!/Al!ve
Götz wirbt für Europa und einen gemeinsamen Europatag. Tatsächlich gibt es bereits 2 sogenannte Europatage. Der 5. Mai jedes Jahres erinnert an die Gründung des Europarates, am 9. Mai jedes
Jahres gedenkt mensch der Schuman-Erklärung.
Aber Götz würde sich gern mit allen verbrüdern und verschwestern. Viel wichtiger finde ich, darüber zu debattieren, ob Europa überhaupt eine kollektive Identität, vergleichbar den Nationen, hervorbringen und ob es demnach ein europäisches Bewusstsein bzw. einen europäischen Patriotismus ohne Staat geben kann oder wie Götz es einfordert, ein Europa als Nation erstrebenswert ist? Ich finde es in diesem Kontext weitaus wichtiger, den europäischen Kampf zur Erhaltung der Errungenschaften des Sozialstaates zu führen und diesen nicht von kleinbürgerlichen, chauvinistischen und fremdenfeindlichen Kräften diktieren zu lassen. Musikalisch serviert die Band dann Gunter Gabriel-Country ("Meine kleine Bar"), Hanf- und Hopfen-Kultur, wütenden Hart-Rock ("Wir sind das Volk") mit bitterböser Ausrichtung und satirischer Adaption des völkischen und fremdenfeindlichen Kontextes. Aber es gibt auch lebensbejahende und -frohe Songs, die in Art eines weingeschwängerten Chansonniers gelautmalt werden ("Du bist meine Religion"). Wenn Götz die Botschaften im Befehlston spricht und akzentuiert, dann wirkt das entschlossen und einschüchternd. In "Klimakatastrophe" übernimmt Götz mit Rap und Funk die Position der Ignorant*innen und Co2-Anheizer*innen und ist auch mal solo und mit Gitarre besinnlich und nachdenklich ("Drinnen und draußen"). Götz ist Dylan- und Rio Reiser-Fan, das hört mensch auch immer noch heraus. Mein persönlicher Fave des Albums ist "Auf Gestern warten". Fast schon Punk und ein heavy Freigeist-Geschütz im Reiser-Style. Götz hat die Lagerfeuer-Romantik und die drogenaffine Stimmungsphase verlassen und muckt richtig gut auf, ist scharfzüngig und scharfsinnig, und im besten Fall ein Polit- und Comedy-Liedermacher mit gehobenem Niveau.