Zeitschrift für Kritische Tierstudien Band 2
herausgegeben von Daniel Lau
broschiert, 200 Seiten; €14,00
ISBN 978-3-948157-02-9
ISSN 2627-4965
amiot-verlag.de
In dem 2. wissenschaftstheoretischem Sammelband zu Tiertheorie, Ethik und Praxis kommen Autor*innen zu Wort, die Aktivist_innen der Tierbefreiungs- und Total Liberation-Bewegung sind und/oder die
einen emanzipatorischen, abolitionistischen, herrschaftskritischen, nicht-reformistischen Ansatz verfolgen und/oder in einem Forschungsfeld schwerpunktmäßig gearbeitet haben.
Nach Tätigkeiten am Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas, an der Philipps-Universität Marburg, am Goethe Institut Paris und am Theater ist Daphne Tokas als Tierbefreiungsaktivistin
tätig und arbeitet schwerpunktmäßig zu Sozialphilosophie, Tiertheorie und Normativität. In einem ausführlichen Kommentar zur "Anthropomorphismus"-Debatte
kritisiert Daphne die Ungerechtigkeiten, die von der "Dysfunktionalität" der aktuellen Debatte her zeugen und ergänzt mit eigenen Überlegungen/Ergänzungen den aktuellen Diskurs und fordert mehr
Weitsicht statt Vorsicht. Ihr Aufsatz zeigt die Reproduktion anthropischer Denkmuster in philosophischen, tiertheoretischen Positionen auf und zugleich die Widersprüchlichkeit des Begriffs.
Zuschreibungen und Bewertungen von Menschlichkeit bedeutet für mich in erster Linie immer auch eine Fremddefinition, eine Stigmatisierung und eine Erwartungshaltung, die in bestimmten Situationen
Ausschlüsse produziert. Daphne knüpft an dieser Debatte an und stellt die Frage, ob nur "wir" menschlich denken (können)? Ihr Denkmodell über die "Disparität von Mensch und
Welt" beruht auf das tiefste Axiom, auf dem die anthropische Denkform beruht und resümiert schlussendlich, dass "nicht Menschen die Welt in ihrem Blick herstellen, sondern sie stellt Blicke
her".
Christian Stache analysiert Ted Bentons ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844 und nimmt kritisch Stellung zu Bentons Dualismus-Theorie, Dialektik, die
eine weiterführende Debatte in der (kritischen Theorie der) Tierbefreiung "verengt".
Björn Freter leistet in "Veganismus als Anti-Nihilismus" einen Beitrag zum "kaumtierlichen Superiorismus". In diesem benötigt es einen Willen, den "stillen
Gesellschaftsvertrag der Verachtung zu verändern" und zwar Hier und Jetzt!
Daran knüpft später auch Ulrike Schwerdtner an, die das klassische Landwirtschaftsmodell abschaffen will und sich für ein emanzipatorisches, selbstbestimmtes Landwirtschafts- und
Ernährungssystem plädiert, das "auch auf organisatorischer und struktureller Ebene" Veränderungen bedarf. Konzepte wie bio-vegane SoLaWis stellen dafür eine Möglichkeit her für eine
ausbeutungsfreies Wirtschaften im Landwirtschafts- und Ernährungssektor.
Gesamteindruck:
Der Sammelband mag sehr unterschiedliche Aspekte zu wissenschaftstheoretischen Artikeln über das Mensch-Tier-Verhältnis liefern, dennoch geht es im Kern immer darum, ein radikales Umdenken in dem Glaubens-System einzufordern, in dem Ausbeutung, Vorurteile, Stigmatisierung, Diskriminierung, Sexismus vorherrschen. Eine politische Wirkungsmacht kann aber auch praktisch entstehen, wenn soziale Praktiken miteinander verbunden werden. Da, wo normative Traditionen, Machtverhältnisse, Herrschaftsformen und soziale Ungleichheit bezogen auf das Mensch-Tier-Verhältnis legitimiert sind und werden, in denen durch Zwang und Gewaltanwendung einerseits und Gehorsam andererseits die Rechtmäßigkeit der Herrschaftsbeziehung und -ordnung in den Überzeugungen der Akteur*innen begründet sind, bedarf es weiterhin eine Verschiebung der Aufmerksamkeit mit einer konkreten Herstellung eines Konsens aus Basis der Zustimmung, die Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismen zu überwinden.