DAS GROSSE THIER #15
52 DIN-A-5-Seiten; € 1,50.-
A. Mittelstädt, Zweinaundorferstr. 19, 04318 Leipzig
www.dasgrossethier.wordpress.com
Jörg Finkenberger eröffnet den politischen Diskurs mit einem ausführlichen Artikel zur linken "Szene", die seiner Auffassung nach "eine Gestalt des Rückzugs (ist), nicht der Offensive."
Demnach sei die "Szene" kein Kampffeld, "auf dem gegen Ermüdung und Resignation etwas zu holen ist." Jörg meint, dass die die linke "Szene" in Westdeutschland auf 1968 zurückgeht und
unterstellt ihr, dass "sie den Kern der Sache nicht begreift". Interessant wird es immer dann, wenn Jörg nicht über den Neuen Maoismus schwadroniert, sondern praxisbezogene Beispiele benennt und
hier deutliche Kritik äußert: Die Solidarität mit sich selbst, interne Konflikte, Bühne für die linken Gruppen aus der Szene um sie herum. Ergo: Die linke "Szene"(gänger*innen) bleibt gerne unter
sich. Und dann kommt Jörg endlich zum eigentlichen Kritikpunkt: die Kritik an der Organisation/Durchführung/Veranstaltung der AG "No tears for Krauts" mit dem Thema "Solidarität mit Israel", die
"wirklich dasselbe Zeug daher redet wie die AfD."
Der Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Leipzig hatte im Juli 2019 einen öffentlichen Vortrag zu "Agenda 2010 als Produktionsverhältnis von Angst und Panik"
veranstaltet. Auf neun Seiten können die Leser*innen noch mal C.s Vortrag nachlesen. Der Vortrag versucht aufzuzeigen, worin sich Hartz 4 vom spätmodernen Arbeitsmarkt absetzt und wie es um die
psychologischen Fallhöhen von Panik und Angst bestellt ist.
Einige ausführliche, analytische Buchbesprechungen später, gibt es mit "Die neuesten Gesellschaftsspiele der Saison" auch mal eine Auflockerung zur trockenen Materie, die
die Anti-Deutschen und die autonomen Alkleichen glücklich machen wird.
Zum Schluss gibt es eine stark verkürzte Abhandlung über "Der soziale Ökofeminismus" von Janet Biehl, die im "Schwarzer Faden #34" (1/1990) entschieden ausführlicher und
aufschlussreicher erläutert wird. Ihre These lautet, dass der Ökofeminismus in einer übergreifenden linken politischen Theorie verankert sein muss. Nur ein Feminismus, der explizit
antikapitalistisch und antistaatlich sei, könne die Ursachen der männlichen Vorherrschaft wirklich bekämpfen. Grob gesagt: "Frauen* und Natur sind nicht die einzigen 'Anderen'."
Gesamteindruck:
Zwischen Theorie und Praxis liegen Zeiträume, die mit Reflexionen und kritischen Auseinandersetzungen gefüllt werden. Bedeutet das in diesem Fall, die Linke links liegen zu lassen? Es wird schnell deutlich, dass sich die "linke Szene" viel mit sich selbst beschäftigt und sich zerfleischt, um festzustellen, dass sie unter den jetzigen Umständen marginal und vielleicht sogar bedeutungslos geworden ist. Fragen und Lösungen, wie die linke "Szene" auf ethnische Konflikte und nationalistische Gesinnungen reagiert, lassen wenig Spielraum für die Themen und Doktrinen, die mensch mit einem Links-Schema verbindet. Was also beschreibt die Kategorie "links" und was ist in der Ausführung noch bedeutsam oder wichtig? In der öffentlichen Wahrnehmung durchzieht ein neu-rechter Diskurs indes alle Ebenen: Soziale Arbeit im Kontext von Migration und Interkulturalität sowie im Bereich von Gender und Sexualität, Jugendarbeit und Unterstützungsangebote in Armutslagen. Rassistische Argumentationen zeigen sich über alle Formen der Land- und Einflussnahmen als die zentrale Denkfigur, die immer wieder aufgerufen wird. Eine Auseinandersetzung mit sich selbst, Inszenierungen und Agenda-Settings macht die linke "Szene" nicht handlungsfähig, weil sie sich zu sehr auf sich selbst bezieht/beruft.