ARBEIT
v. Thorsten Nagelschmidt
336 Seiten € 22,00.- (D)
ISBN: 978-3-10-397411-9
https://www.fischerverlage.de/buch/thorsten_nagelschmidt_arbeit/9783103974119
Inhalt: In einem Kreuzberger Hostel beginnt Sheriff seine Nachtschicht und fühlt sich mal wieder wie ein schlecht bezahlter Sozialarbeiter. Im Späti nebenan erlebt Anna den
zweiten Überfall in diesem Jahr. An der Tür vom Lobotomy steht Ten und realisiert, dass ihm seine junge Familie durch seine Arbeitszeiten komplett zu entgleiten droht.
Außerdem: Eine idealistische Notfallsanitäterin, eine zornige Pfandsammlerin und ein Drogendealer mit Zahnschmerzen, der sich fragt, ob er Freunde hat oder nur noch
Stammkunden.
Thorsten Nagelschmidt hat mit »Arbeit« einen großen Gesellschaftsroman über all jene geschrieben, die nachts wach sind und ihren Job erledigen, während Studenten, Touristen und Raver feiern.
Temporeich erzählt er von zwölf Stunden am Rande des Berliner Ausgehbetriebs und stellt Fragen, die man beim dritten Bier gerne vergisst: Auf wessen Kosten verändert sich eine Stadt, die immer
jung sein soll? Für wen bedeutet das noch Freiheit, und wer macht hier später eigentlich den ganzen Dreck weg?
Gesamteindruck:
Das Buch ist die skizzierte Momentaufnahme gestrandeter und gescheiterter Existenzen. Um in der Gesellschaft irgendwie klar zu kommen, können das die von 'Nagel' beschriebenen Personen mit allerlei verschiedenen Suchtmitteln kompensieren. 'Alles fucking crazy'. Beziehungsstress und -probleme, die Angst vorm Alleine sein: das Leben in der Großstadt Berlin gleicht einer tickenden Bombe. Ein Leben am Abgrund, da sind richtige Höhepunkte rar gesät: ein Besuch im Späti, in Huxleys Neue Welt, Leben retten im Krankenhaus oder mal die Wohnung des Freundes entrümpeln. Thorsten Nagelschmidt garniert seine Portraits mit markanten-zynischen bis witzigen Attributen, Kommentaren und Zustandsbeschreibungen. In der Luft liegt Pfefferspray und die unbeantwortete Frage nach dem Sinn des Lebens, den sich asiatische Lolitapunks, Pfandflaschensammler*innen, Raver*innen, Junkies teilen. Thorsten hat Geschichten gesammelt und zeigt in episodenhaften Szenen, wie Menschen vor der Kulisse Berlins durch die Stadt treiben und dabei mit teils komischen, teils tragischen Situationen konfrontiert werden. Letztendlich ist ARBEIT keine Liebeserklärung an Berlin oder die Menschen, die hier leben, sondern beschreibt schonungslos, manchmal auch ruppig, das Chaos eines städtischen und eines entsprechenden inneren Lebens, das leer und unausgefüllt scheint und die urbane Lebenswirklichkeit widerspiegelt, die einem No future-Esprit, aber mindestens einer Desillusionierung, gleichkommt, in der nur Bekloppte unterwegs sind.