Vor genau einem Jahr erreichte SEA WATCH-Kapitänin Carola Rackete unfreiwillige Berühmtheit, als sie unter Notstandsrecht mit der Sea-Watch 3 in einen italienischen Hafen einlief. Zu dem Zeitpunkt hatten die Crew und die geretteten Menschen an Bord bereits über 2 Wochen des Ausharrens hinter sich. Europa hatte erneut zugeschaut, wie Menschen als machtpolitische Spielbälle missbraucht wurden. Heute müssen wir traurig feststellen, dass sich innerhalb der EU und an der EU-Außengrenze nichts grundlegend geändert hat.
Carola wird keine Interviews anlässlich dieses Jubiläums geben, sondern andere sprechen lassen:
“Diese Geschichte sollte überhaupt nicht von mir handeln. Deshalb möchte ich nicht diejenige sein, die spricht. Dass ich und andere freiwillige Rettungskräfte im Mittelmeer immer wieder als Held*innen dargestellt werden, ist eine zutiefst problematische Erzählung. Sie entzieht den Menschen, die wir gerettet haben, das Rampenlicht und schafft fälschlicherweise die Illusion, dass manche Menschen einzigartig oder anders sind. Aber wie die meisten Europäer*innen sind wir - als Crew der Sea-Watch 3 - vor allem eines: privilegiert. Das bedeutet nicht, dass wir im Leben keine Probleme haben. Es bedeutet, dass ich als Weiße keine Sekunde lang befürchtet habe, bei der Verhandlung oder später in einer Zelle von der Polizei getötet zu werden, so wie es vielen Schwarzen, auch in Deutschland, ergangen ist. Hier müssen wir handeln.”
“Der strukturelle Rassismus ist in der EU ebenso ein Problem wie in den USA. Wenn mit #BlackLivesMatter in den USA gefordert wird, den Polizeibehörden die Finanzierung zu entziehen, müssen wir folglich auch #DefundFrontex in Europa fordern und Frontex die Gelder streichen. Das ganze Konzept der Grenzschutzagentur besteht darin, die rassistische Grenzpolitik der europäischen Staaten durchzusetzen”, sagt Carola.
Um Betroffenen Gehör zu verschaffen, wird Carola Rackete heute, am Montag, den 29. Juni 2020, zum Jahrestag ihrer Einfahrt in den Hafen von Lampedusa ein Online-Panel veranstalten.