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MADSEN - Na gut, dann nicht

Copyright by Dennis Dirksen
Copyright by Dennis Dirksen

Aufatmen bei MADSEN: nach einem Autounfall in der Nacht von Montag auf Dienstag lag Gitarrist Johannes Madsen im Krankenhaus, aus dem er gestern morgen entlassen werden konnte.

"NA GUT DANN NICHT" ist ein Befreiungsschlag für die Band aus dem Wendland: das Album entstand spontan in weniger als drei Wochen, als Sebastian Madsen der Bock auf Punk packte. Das Album dass sie diesen Sommer eigentlich aufnehmen wollten, wurde zugunsten der Punk-Platte auf unbestimmte Zeit verschoben. So frisch, laut und gut wie auf "NA GUT DANN NICHT" klangen MADSEN lange nicht mehr.

Das Jahr 2020 hatten MADSEN natürlich auch ganz anders geplant: ein neues, bereits geschriebenes Album sollte im Sommer aufgenommen werden, die Touren waren gebucht. Dann kam Corona und Alles kippte. Anstand Pause zu machen, schrieb die Band spontan ein weiteres Album: "Na gut dann nicht" ist eine lupenreine Punkplatte geworden!

"Mitte März sind Lisa und ich ins Wendland gefahren, haben den Proberaum gründlich aufgeräumt und für andere Künstler Musik geschrieben. Aber dann hatte ich plötzlich diesen Bock auf Punk!" erinnert sich Sänger Sebastian Madsen. Er kauft sich das Ramones-Debüt auf Vinyl, hört es rauf und runter und begann, Songs zu schreiben. Schnell hatte auch der Rest soviel Spaß an den Songs, dass MADSEN ihr "reguläres Album" hintenanstellten und eine Punk-Platte aufnahmen.

Auf den ersten Blick mag das vewirren: MADSEN und Punk? Sind die nicht eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Rock-Acts? Was hat das mit Punk zu tun?! Mag man meinen - aber Punk ist fest verwurzelt in der DNA der Wendländer: "Anfang der Neunziger gab es bei uns eine große Punk-Szene, und die erste Band die Johannes und ich gegründet haben, war natürlich eine Punk-Band. Unsere Vorbilder waren SLIME, Daily Terror, Toxoplasma oder Schleimkeim" so Sebastian. "Auf dem ersten MADSEN-Album hört man den Einfluss schon noch sehr deutlich, im Laufe der Jahre ist er dann etwas in den Hintergrund geraten. Aber Punk ist unsere Jugendliebe."

Jetzt, 15 Jahre nach dem Debütalbum, zwischen Frust, Langeweile und Tatendrang bahnte sich der Bock auf schneller-härter-lautere Songs wieder an. Geschrieben und aufgenommen wurde "Na gut dann nicht" in nur zwei Wochen im heimischen Studio im Wendland: "Unsere Tage sahen so aus: Zusammen im Garten sitzen, texten, aufnehmen, Bier trinken und am Ende das Tagwerk hören", so Sebastian. "Sonst schreibe ich immer alleine, aber ich muss sagen: Wir haben als Kollektiv nie so gut funktioniert wie bei diesem Album. Deswegen stecken in den Songs auch so viel Humor und ganz andere Facetten."
 
Humor war zwar schon immer ein wichtig im MADSEN-Kosmos, aber der Faktor „Spaß“ stand bei „Na gut dann nicht“ mehr im Vordergrund als sonst. Hört man Songs wie „Quarantäne für immer“, in dem alle Mitglieder eine Strophe singen dürfen, oder „Wir nennen dich Mücke“, eine Ode an ihren Tour-Gitarristen und Ex-EL*KE-Sänger Martin Krüssel – wird schnell klar, dass der immer schwierige Spagat zwischen Humor und Kunst funktioniert. „Was ich am Punk immer so mochte ist diese respektvolle Respektlosigkeit. Mit den Mitteln des Punks kann man Dinge lustig ausdrücken, man kann pöbeln, ohne es böse zu meinen, man kann sich klar ausdrücken und auch sehr politisch sein“ sagt Sebastian.
 
Doch natürlich sind nicht alle Songs nur „zum Lachen“: Auch die Wut, ein essenzieller Bestandteil von Punk, kommt auf „Na gut dann nicht“ nicht zu kurz. „Was alles in der Welt los ist und falsch läuft, nimmt man ja gerade in dieser Zeit noch viel bewusster wahr“ sagt Sebastian. „Bei mir hat sich da eine Menge angestaut, was raus musste. Musikalisch blicken wir auf dem Album zwar ziemlich zurück, uns war aber wichtig, mit den Texten voll und ganz in die heutige Zeit zu passen.“ Das Ergebnis sind Songs wie „Wenn du am Boden liegst“, der versucht mal nicht nur Schuld zuzuweisen, sondern an die Empathie der Menschen appelliert, oder Brecher wie „Alte weiße Männer“ (Inhalt: selbsterklärend) und „Supergau“.

Getextet wurden beide Songs von Lisa Who, Keyboarderin in der Band: „Punk ist zwar nicht unbedingt ihre Musik, aber sie ist eine wahnsinnig gute Punk-Texterin. Lisa ist der bewussteste Mensch in der Band, was Nachhaltigkeit angeht. Das Ding ist ja: die Klimadiskussion ist ein viel größeres Problem als Corona, global gesehen. Das ist das, was die Erde zu Grunde richten wird. Das kann man ruhig mal so sagen.“
 
Selbst wenn man die Jahre in den Vorgängerbands nicht mitrechnet sind MADSEN bereits seit über 15 Jahren gemeinsam auf den Bühnen unterwegs – die Touren wurden immer größer, ihr Bandname steht in den obersten Reihen auf den Festivalplakaten, seit dem zweiten Album „Goodbye, Logik“ ist man Dauergast in den Top 10 der Albumcharts. Man kann also sagen: Musik-Deutschland eigentlich durchgespielt.
 
Doch auf „Na gut dann nicht“ klingen MADSEN so befreit und frisch, dass man niemals eine der Dienstältesten und erfolgreichsten Rock-Acts des Landes dahinter vermuten würde. Eine Frischzellenkur, die man so manch etabliertem Act empfehlen würde!

Sänger Sebastian Madsen zu "Na gut dann nicht", und warum ein Punk-Album genau jetzt sein muss:

"Alle sagen: IN DIESEN VERRÜCKTEN ZEITEN. Wir sagen: NA GUT DANN NICHT.
Krise ist gut. Zumindest für Punkmusik. Immer schon gewesen. Punk ist logische Folge und radikaler Kommentar jeder anständigen Krise – die Krise mit ihren eigenen Mitteln schlagen.
Natürlich ist Punk auch eine gute Strategie, ein Überlebensreflex, lustigerweise sogar: gesellschaftsdienlich. So gesehen – na gut!

Dann nicht: Rassismus, Patriarchatsfossile, Nazis, Machos, Verschwörungsbullshit, antidemokratische Scharfmacher, Religionsterror, Männerbündeleien, Waffenidioten, Monopole, Unterdrückung aller Art, Panikmache, Wissenschaftsleugner, Unvernunft. Tja, seltsam – letztlich ist Punk VERNÜNFTIG!
 
PS: Jaha, wir wissen, dass da ein Komma zwischen „gut” und „dann” gehört. Das muss da hin, völlig klar. Dann wiederum: Muss es? Punk muss gar nichts – Punk muss nicht mal „was wollen”. Punk ist: Ferien von Regeln. Und Punk sagt: Leckt mich. Das finden wir etwas unhöflich – inhaltlich allerdings: vollkommen richtig. Also sagen wir: Na gut dann nicht."