Seit den frühen Morgenstunden blockieren über 50 Aktivist*innen vom Bündnis Gemeinsam gegen die Tierindustrie den Schlachthof von Tönnies in Kellinghusen, Schleswig-Holstein. Sie fordern, die Tönnies-Betriebe zu vergesellschaften und zu solidarisch organisierten Produktionsstätten für pflanzliche Nahrungsmittel umzubauen.
Seit 4:30 Uhr heute morgen steht der Schlachthof von Tönnies in Kellinghusen still. Sechs Aktivist*innen sind auf ein Dach geklettert und haben ein Banner mit der Aufschrift „Shut Down Tierindustrie“ heruntergelassen. Weitere fünf haben sich an der Verladerampe und dem Tor festgekettet und eine dritte Gruppe macht eine Sitzblockade auf der Zufahrt. Die Aktion verläuft unter strenger Einhaltung des Infektionsschutzes, alle Aktivist*innen halten entsprechend Abstand und tragen einen Mund-Nasen-Schutz.
„Die zweite Corona-Welle ist da. Die Bedingungen an den Schlachthöfen sind noch immer mit dem Infektionsschutz völlig inkompatibel, daran hat sich nichts geändert. Darauf gibt es nur eine Antwort: Die Produktion muss jetzt beendet werden“ sagt Franziska Klein von Gemeinsam gegen die Tierindustrie.
„Die Arbeiter*innen in den Schlachthöfen werden brutal ausgebeutet – die Regierung will daran bislang nichts ändern, denn das geplante Verbot von Werkverträgen ist wegen der CDU/CSU erstmal vom Tisch. Außerdem heizt diese Industrie das Klima auf und fügt Tieren massives Leid zu. Die Industrie soll trotz aller fatalen Auswirkungen und Skandale unverändert am Laufen gehalten werden. Dagegen fordern wir, die Betriebe zu vergesellschaften, die Produktion auf Pflanzenverarbeitung umzustellen und den Landwirt*innen den Ausstieg zu ermöglichen.”
Seit Beginn der Pandemie sind Schlachthöfe immer wieder Corona-Hotspots. Tönnies ist ein Schwerpunkt-Betrieb, mit über 2.000 Infektionen in Folge eines einzigen Ausbruches Ende Juni am Hauptsitz in Rheda-Wiedenbrück. Durch die wiederkehrenden Ausbrüche steckt die Schweinebranche in einer doppelten Krise: Die zahlreichen Corona-Infektionen führen dazu, dass Schlachthöfe schließen müssen oder mit verringerter Kapazität laufen. So entsteht in den Betrieben ein „Schweinestau“. Zugleich breitet sich die Schweinepest weiter aus und ruiniert das Exportgeschäft.
Franziska Klein kommentiert: „Die Schweine - intelligente, empfindsame, neugierige Tiere - gelten in dieser Branche nur als Waren, die möglichst effizient verwertet werden müssen. Das kapitalistische Wirtschaftssystem ordnet das Leid der Tiere dem Streben nach Profit unter. Es macht wenige Menschen reich und fügt vielen enormen Schaden zu. Auch immer mehr Bäuer*innen werden durch Konzernmacht und Wachstumszwang in den Ruin getrieben, während Deutschland mit der EU die Agrarwende blockiert. Dabei gibt es Alternativen! Wir müssen jetzt für sie kämpfen: Für eine Welt der Solidarität statt einer der Ausbeutung und Zerstörung.“
Der Tönnies-Konzern war in diesem Jahr bereits mehrfach wegen zahlreicher Corona-Infektionen und schlechter Arbeitsbedingungen in den Schlagzeilen. Im Sommer forderte der Konzern außerdem 40.000 Euro Schadensersatz von einer Gruppe von Aktivist*innen, die unter dem Namen „Tear Down Tönnies“ bereits im Oktober 2019 den Schlachthof in Kellinghusen blockierten. Das Bündnis Gemeinsam gegen die Tierindustrie solidarisiert sich mit der heutigen Aktion auch mit den betroffenen Aktivist*innen sowie mit Bürgerinitiativen und Gruppen, die sich vor Ort gegen den Schlachthof einsetzen.
„Das jetzige Agrarsystem können wir nur durch entschlossenen gemeinsamen Widerstand verändern“, sagt Franziska Klein. „Wir lassen uns nicht einschüchtern!“
Über das Bündnis „Gemeinsam gegen die Tierindustrie”:
Das Bündnis „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ ist ein überregionales Bündnis, das sich im Juli 2019 gegründet hat. Ein geplantes Aktionscamp gegen die PHW-Gruppe im Juni 2020 in Niedersachsen musste aufgrund der Corona-Situation verschoben werden. Das Bündnis fordert die Abschaffung der Tierindustrie und eine Agrarwende hin zu einer solidarischen und ökologischen Produktions- und Organisationsweise, die nicht auf Kosten anderer erfolgt und nicht am Gewinn orientiert ist.