Das kalifornische Label Pure Noise Records beweist einmal mehr ein Gespür für die musikalische Gunst der Stunde. Red City Radio sind eine internationale Größe der Punkrock-Szene, auf deren neues Album Fans lange warten mussten – immerhin ist Paradise der erste Langspieler der Band seit der selbstbetitelten Platte von 2015.
Es liegt offensichtlich eine gewisse Ironie darin, ein im Jahr 2020 veröffentlichtes Album Paradise zu nennen. Es ist ein Jahr, das auf so vielen Ebenen nach allem anderen klingt. Doch trotzdem haben Red City Radio beschlossen, ihr viertes Album genau so zu betiteln. Das mag seltsam erscheinen bei einer Band, die schon immer eine Art Außenseiterrolle gespielt hat. Aber in der Tat passt es sehr gut zu ihrer unaufhaltsamen, nicht zu brechenden Einstellung und der Widerstandsfähigkeit, die durch die Musik geflossen ist, seit die Band 2007 in Oklahoma City begann.
Paradise wurde im Studio The Cereal Box in Edmond, Oklahoma aufgenommen. Produziert hat die Platte Mike Kennerty von den All American Rejects, der sich 2018 bereits für die SkyTigers-EP der Band verantwortlich zeichnete. Das Album wurde im Blasting Room von Jason Livermore gemastert. Paradise ist die erste Veröffentlichung Red City Radios mit ihrem neuen Bassisten Derik Envy, der 2019 dazukam. "Er ist ein talentierter Motherfucker", lacht Donovan. "Und ich bin so glücklich, dass er der Neuzugang in diesem Projekt ist, denn er ist einfach ein wirklich positiver Mensch voller Liebe und Energie und hat sich sofort eingefügt.“
"Wir haben den Albumtitel von dem gleichnamigen Song übernommen", erklärt Sänger und Gitarrist Garrett Dale. "Darin geht es darum, sein eigenes Paradies zu finden - auch wenn es dahin ein harter Weg ist. Das ist es, was das Paradies für mich bedeutet - ein Paradies des Geistes, in dem man durch seine ehrlichen, schrecklichen Realitäten Wahrheit, Frieden und Liebe findet. Es ist alles, wie man es selbst betrachtet, alles Wahrnehmung. Das Paradies kann demnach sogar ein Gefängnis sein, wenn man es so will."
"Es ist dieser innere Zustand, den du in dir selbst findest", stimmt Gitarrist Ryan Donovan zu. "Auf deiner eigenen Reise, in den Versöhnungen mit deinen eigenen Dämonen oder auch nur darin, inneren Frieden mit dir selbst zu finden. Die Menschen entdecken das Paradies, wenn sie einfach mit ihrem Hund oder ihrer Katze zu Hause auf der Couch sitzen, wenn sie Musik schreiben oder wenn sie malen oder lesen - es ist alles irgendwie konzeptuell und verinnerlicht.“
Insofern können die 12 Songs von Paradise als eine Art Spiegel der Seele wirken - einer, in den man zur Selbstfindung hineinschauen kann und noch wichtiger, in dem man nach Lösungen sucht, wenn die Dinge überwältigend schlecht zu sein scheinen. Trotzdem ist Red City Radios viertes Album keine kitschige Selbsthilfe-Platte. Sie ist voll von den Schwierigkeiten und Herausforderungen, die die Band schon immer geplagt haben. Allerdings wird dieses Mal der Trotz gegen die schlechten Dinge durch ein sehr nahbares Gefühl der Hoffnung ersetzt. Das gilt nicht nur für Dales Texte - auch wenn sie die dunkleren Elemente des Lebens behandeln -, sondern auch für das aufmunternde Krachen von "Baby Of The Year", die fast unbeschwerte Romantik von "Young, Beautiful & Broke", die sonnigen Gitarren-Licks und Riffs des Titeltracks, die fröhliche, ausgelassene, Thin-Lizzy-artige Prahlerei von "Doin' It For Love" oder die beschwichtigende Haltung von "Fremont Casino". "Ich würde sagen, dass das unsere positivste Platte ist", meint Dale. "Vielleicht liegt das daran, dass es uns während den Aufnahmen wirklich gut ging. Wir haben das Album fertiggestellt kurz bevor Covid passierte."
Abgerundet durch Gründungsmitglied und Schlagzeuger Dallas Tidwell ist die Chemie dieser Besetzung sowohl offensichtlich als auch ansteckend. Doch obwohl ihre Songs positiv sind, ist die pure Gefühlsgewalt, die Red City Radio schon immer geprägt hat, nach wie vor sehr präsent. Auch musikalisch expandiert und entwickelt sich die Band weiter. Während der Punkrock ihrer frühen Jahre immer noch hörbar ist, hat die Band gleichzeitig ihren Horizont enorm erweitert. Man höre nur mal den schwermütigen Opener "Where Does The Time Go?" oder die Verzweiflung des apokalyptischen "100,000 Candles", dessen sehnsuchtsvoller Refrain "Why ist the world on fire?" fragt - geschrieben, bevor dieses Jahr überhaupt begonnen hatte. Zum Beginn von „Love A Liar“ hört man ein Sample des spirituellen Gurus Ram Dass, der über die Natur des Verfalls spricht und darüber, dass diese gleichzeitig schön und schrecklich ist. Der Song verkörpert passgenau die Philosophie und Haltung, die Red City Radio heute mehr denn je antreibt.
Vielleicht fasst kein Song dieses Album besser zusammen als der feurige Schlusswirbel von "Gutterland" und sein herrlich optimistischer Refrain: "If the sun don’t shine, it ain’t no bother, I don’t mind.“ Das ist letztlich die Wahrheit, die im Herzen dieser Platte und dieser Band leuchtet.
"Was dem Geist von Red City Radio schon immer zugrunde gelegen zu haben scheint, ist unnachgiebig man selbst zu sein", sagt Dale, "Paradise ist ein wahrer Ausdruck dessen, wer wir als Menschen und als Band sind. Es ist ein Neuanfang für uns, aber auch eine Fortsetzung der Verbreitung von Liebe und Rock'n'Roll durch Musik. Ich glaube, dass dieses Album die besten Aufnahmen hat, die wir je gemacht haben, und dass es das am besten klingendste Album ist, das wir je aufgenommen haben. Es war auch einfach die lustigste Platte, die wir je gemacht haben. Also wirklich, das ist das beste Red City Radio-Album, und wenn du diese Meinung nicht teilst, dann kannst du mich mal!“
Paradise erscheint am 4. Dezember auf Vinyl, CD und digital. Exklusive Bundles der physischen Versionen können im deutschen Online-Store von Pure Noise Records vorbestellt werden: https://purenoise.merchcowboy.com/