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Zeitschrift für Kritische Tierstudien Band 3

Zeitschrift für Kritische Tierstudien Band 3
Zeitschrift für Kritische Tierstudien Band 3

Zeitschrift für Kritische Tierstudien
Band 3 – 2020
herausgegeben von Daniel Lau
broschiert, 165 Seiten
ISBN 978-3-948157-10-4
ISSN 2627-4965

https://animot-verlag.de/verlag/
Die Autor*innen Kevin Pottmeier, Jessica Ullrich, Janina Schweitzer, Tom Zimmermann und Marvin Giehl haben Artikel verfasst, die ganz allgemein Diskriminierungs-, Ausbeutungs-, Herrschaftsverhältnisse kritisieren. Diese beginnen bereits in der Erziehung. Kevin Pottmeier plädiert in seinem Artikel "Wehret den Anfängen" für eine Befreiung des Menschen, um eine bessere Gesellschaft zu schaffen. Erreicht werden soll dies durch die Befreiung der Kinder, "die von Geburt erleben könnten, was Solidarität, Verantwortung und Selbstbestimmung etc." sind.

Kernthese: Kinder existieren für sich und nicht für unsere Vorstellungen. Kevin argumentiert in der Tradition der Antipädagogik und angelehnt an Alexander Neill in einer seiner letzten Schriften ”Die Befreiung des Kindes” (Wachsen in Selbstbestimmung – das war das Prinzip seiner später weltberühmten Internatsschule Summerhill), zitiert und beruft sich aber auf Walther Borguis' Grundsatzkritik an der Institution Schule und empfiehlt die Textsammlung "Bildung ohne Zwang..." von Ulrich Klemm und überlässt der Schlusszusammenfassung einem Zitat von Manuela Ritz zu "Adultismus als erste fundamentale Unterdrückungserfahrung".
Jessica Ullrich erklärt in ihrem Artikel "Vom Widersinn der Jagd in der Kunst des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts" zunächst den sogenannten Animal Turn in der Kunst und politisch engagierte Kunst, gefolgt mit Beispielen von Künstler*innen, die die Relation von Jäger*innen zu domestizierten Tieren thematisieren. Gerade die Beziehung und Porträtierung "Jäger*in-Jagdhund" wird kritisch analysiert, die im Großen die Mensch-Tier- sowie Mensch-Mensch-Beziehung kritisiert, die hierarchische Geschlechterdichotomien und Arbeiten, die Jagd als männliche Praktik bestätigen (Tinkebell), als in Frage stellen. Jessica kommt zum Schluss, dass "die heutige Kunst zum großen Teil Gegendiskurse zur Jagd formuliert". Ich vermisse hier aber eindeutige Belege und Beispiele von Künstler*innen und Begegnungen mit der Tierrechtsbewegung/Tierbefreiung, die die Mensch-Tier-Beziehung aus herrschaftskritischer, emanziaptorischer Perspektive künstlerisch darstellen.
Janina Schweitzer stellt in ihrem Essay "Die Klima -und Tierrechtsbewegung in und nach der Corona-Krise" einen Versuch dar, "neue Argumentationsketten für die Klima -und Tierrechtsbewegung aufzuzeigen". Interessant sind ihre Beispiele und Vergleiche menschlicher negative und positive Gefühle in dieser Krise im Verhältnis zu nichtmenschlichen Lebewesen wie bspw. Isolation, Eingesperrt sein, Langeweile im Sinne von beschäftigungslos, Stress vs. Entschleunigung, Solidarität. Des Weiteren zieht Janina Parallelen zwischen Corona- und Klimakrise, beschreibt den soziologischen Aspekt durch die Entstehung/Verbreitung von Verschwörungsmythen, die im Zusammenhang mit der Coronakrise gesamtgesellschaftlich diskutiert wird. Abschließend nimmt sie die Medien in die Pflicht, in Bezug auf die Klimakrise "angemessen" zu berichten und appelliert an die Bewahrung journalistisch-ethischer Grundsätze und weniger auf sensationshaschende Berichterstattung inform von Diffamierungen gegenüber Veganer*innen und vegane Ernährung.
Marvin Giehl rekonstruiert anhand eines Interviews Lindas "Veggie-Biographie" und reflektiert deren Haltungsformation nichtmenschlicher Tieren gegenüber. Diese Vorgehensweise halte ich für sehr problematisch, da Marvin Passagen einer Momentaufnahme  für eine Stigmatisierung nutzt und eine unangemessene Verhaltensforschung betriebt, die in keinster Weise die Komplexität ihres Denkens gerecht werden kann.

Gesamteindruck:

Alle Autor*innen sorgen zum einen für sachlich fundierte Kritik an Diskriminierungs-, Ausbeutungs-, Herrschaftsverhältnisse, zum anderen für neue Impulse und Diskurse. Die jeweiligen Positionen und aufgezeigten Perspektiven stellen die Frage, ob es überhaupt eine herrschaftskritische Perspektive geben kann, die am Ziel der Abschaffung jeder Unterdrückung des Menschen und nichtmenschlichen Tieres durch den Menschen orientiert ist, die einige Lösungen anbietet, gängige gesellschaftliche Normalitätsvorstellungen in Frage stellt oder als entlarvend versucht darzustellen (Marvin Giehl).