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LOTTA #82

LOTTA #82
LOTTA #82

LOTTA #82
68 DIN-A-4-Seiten; € 3,50.-
Lotta, Am Förderturm 27, 46049 Oberhausen
www.lotta-magazin.de
Der Schwerpunkt thematisiert den Niedergang der neofaschistischen „Identitären“. Britta Kremers bescheinigt, dass „nach zirka acht Jahren Bestehen der IB(...), dass es insbesondere durch kontinuierliche antifaschistische Aufklärung und Intervention gelungen ist, der hochtrabenden Erzählung einer ‚Bewegung‘, die ‚weder rechts noch links‘ sein wollte und angeblich ‚0% Rassismus, 100% identitär‘ sei, eine realistischere Einschätzung entgegenzusetzen.“

Als offen rechts identifizierbar sind die Identitären aufgrund ihrer Überordnung des „Volkes“ als „organische Gemeinschaft“ über das an Rechten gleiche Individuum. Diese vermeintlich natürliche Abstammungsgemeinschaft wird als „vom Zerfall“ bedroht angesehen. In der Welt, die den IB-Aktivist(inn)en vorschwebt, sollen die „Völker“ (sic!) getrennt leben. Kulturelle „Vermischung“ sei hintanzuhalten, „Vielfalt“ soll es nur im Sinne einer globalen Apartheid geben – eine Utopie, die in der tief integrierten Welt des 21. Jahrhunderts nur auf gewaltsamem Weg verwirklichbar erscheint, zumal von einer freiwilligen „Entmischung“ der Menschheit entlang identitärer Raumzuweisung nicht auszugehen ist.
Toni Tomke erkennt, dass die zunehmend mangelnde Bereitschaft der Medien, die Inhalte der IB unreflektiert und ungefiltert zu reproduzieren, ein Grund für das Scheitern sei, sowie die „fehlende Verankerung innerhalb der extremen rechten Subkultur.“ Das führte ungewollt zu einer Selbstisolation und schwindende Wahrnehmung. Öffentlichkeitswirksame Aktionen finden nicht mehr statt und die Akteure der ehemaligen „Jugendbewegung“ sind auf eine „neofaschistische Resterampe zusammengeschrumpft.“
Der Blick auf die IB Frankreich, Österreich und Deutschland zeigt recht unterschiedliche Außenwahrnehmungserscheinungen. Der neurechte Vordenker Götz Kubitschek stellte im Dezember 2019 fest, dass die IB nach deren Verwicklung mit dem Terroranschlag von Christchurch „bis zur Unberührbarkeit kontaminiert“ sei. Während diese Feststellung für Deutschland und auch Österreich zutreffend ist, kann in Frankreich davon keine Rede sein. Der Begriff des „Identitären“ ist dort zu tief verwurzelt, Allianzen etwa mit dem Rassemblement National (vormals Front National) zu gefestigt, als dass mensch die „Identitären“ als politisch tot bezeichnen könnte.

Gesamteindruck:

IB-Akteure und Anhänger*innen feiern vor allem sich selbst. Die Aufmerksamkeit der Journalist*innen ließ mit der Zeit nach – zusammen mit der Präsenz in den sozialen Medien. Die Seiten der Identitären auf Facebook verschwanden, weil der Anbieter sie aufgrund der Beobachtung durch den Verfassungsschutz gelöscht hatte. Gegen die Gewalt auf der Straße und das Identitäre Hausprojekt hatte sich in Halle frühzeitig antifaschistischer Widerstand und eine Bürgerinitiative gegründet. Deren Druck und die Beobachtung durch Behörden führten dazu, dass der AfD-Abgeordnete Hans-Thomas Tillschneider sein Büro im Haus der Identitären räumte. Gerade diese unermüdlichen Interventionen treiben die IB in die Arme der AfD und die institutionalisierte Neue Rechte. Die IB hat sich in Deutschland und Österreich selber abgeschafft, was eben auch durch antifaschistische Aufklärungs- und Informationskampagnen und einer Distanzierungswelle zu verdanken ist. In einem Statement zur IB schreibt Kubitschek die Mär von der gewaltfreien Gruppe fort und sieht sie als Opfer politischer Verhältnisse. „Es ist dem Staat samt seinen gewalttätigen Helfern aus Antifa-Kreisen gelungen, einen jungen, patriotischen Ansatz zu kriminalisieren und letztlich zu marginalisieren“. Aber die Opferrolle wird nicht helfen, das Scheitern aufzuhalten.