Tierbefreiung #113
72 DIN-A-4-Seiten; €4,00.-
die tierbefreier e.V., Postfach 160132, 40564 Düsseldorf
https://www.tierbefreiershop.de
Immer wieder ist in der Tierbefreiung, dem Magazin und der Bewegung insgesamt, die Rede von Speziesismus. Die Redaktion und Mitarbeiter*innen leisten Begriffserklärung und ermöglichen
verschiedene Gesellschaftsanalysen durch die Brille des (Anti-)Speziesismus.
Der Begriff Speziesismus wurde in den 1970er Jahren von dem Philosophen Peter Singer und dem Psychologen Richard Ryder geprägt. Durch die Bezugnahme auf den biologischen Fachausdruck Spezies soll
die zentrale Annahme des Konzeptes zur Geltung kommen, dass die Interessen der eigenen Art den Interessen der anderen Arten auf allen Ebenen vorgezogen werden. Der Ansatz kritisiert diese
speziesistische Diskriminierung und lehnt die strikte Trennlinie, die zwischen Mensch und Tier gezogen wird, als ungerechtfertigt ab. Stattdessen betonen Vertreter*innen dieses Ansatzes die
Ähnlichkeiten zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Arten, die in der Fähigkeit zu leiden begründet werden.
Tom Zimmermann interviewt Richard Ryder und spricht mit ihm über den Speziesismusbegriff, mögliche Strategien zur Abschaffung. Zudem formuliert Richard die zehn Prinzipien des „Painism“ und zwei
Referenzen.
Speziesismus in der Sprache ist ein weiterer Artikel, den Kevin Pottmeier erklärt. Die Sprache trägt dazu dabei, die Gewalt an Tieren zu rechtfertigen und zu verschleiern. Doch sie kann auch dazu
dienen, den Speziesismus zu überwinden. In der menschlichen Sprache werden immer wieder Suffixe, Präfixe, Vorsilben genutzt, um Pflanzen („Unkraut“) oder nicht-menschliche Tiere („Schädlinge“)
negativ zu konnotieren. Menschen werden mit Begriffen wie Flüchtlingsstrom, Migrationswelle zu einer bedrohlichen Gefahr werden, die „eingedämmt“ werden müsse. Nicht-menschliche Tiere werden
bspw. in der Fleischindustrie als zu verarbeitendes „Stück“, „Produkt“ fremddefiniert, um die massive Gewalt an Tieren zu versachlichen und nicht-menschlichen Tieren Rechte wie Selbstbestimmung,
Freiheit abzusprechen. Selbst wenn es sich um ein und dieselbe Tätigkeit handelt, hindert uns das nicht daran, für Menschen und nicht- menschliche Tiere unterschiedliche Begriffe zu verwenden:
Menschen essen, Tiere fressen, Frauen gebären, weibliche Tiere werfen, Menschen sterben, Tiere verenden und nach dem Tod sind wir Leichen, Tiere hingegen Kadaver. Die Sprache dient hier dazu, so
manche LinguistInnen, eine emotionale Distanz zwischen Mensch und Tier zu schaffen.
Ina Schmitts diskursiver Artikel zu „Vegan und Speziesismus“ stellt das aus heutiger Sicht trendige Verhalten vieler Veganer*innen aus ernährungstechnischen Gründen der ursprünglichen Definition
eines radikalen Wandels des gesellschaftlichen Mensch-Tier-Verhältnisses gegenüber. In Anlehnung an den Begriff Speziesismus ist eine vegane Lebensweise in diesem Kontext allein auf das
Wohlbefinden des Menschen ausgerichtet, wo positive Aspekte der Ernährung in den Vordergrund gestellt werden. In dieser Denkweise findet keinerlei Solidarität mit von Ausbeutung, Tötung
nicht-menschlicher Tiere oder eine bewusste tierbefreiungsorientierte Denkweise statt.
Gesamteindruck:
Die menschliche Denkweise impliziert erlernte, verinnerlichte Muster von Speziesismus. Rassismus, Diskriminierung. In dieser ist die menschliche ethische Position verortet: wir Menschen gehören der intelligenteren, überlegenen Art an und deshalb können wir alle schwächeren Lebewesen auch so behandeln, wie es uns am meisten nützt. Fleisch essen ist normal. Mit der Katze kuscheln auch. Es ist eine soziale Ungerechtigkeit, die bisher immer noch ein fester und allgemein akzeptierter Bestandteil unserer Gesellschaft ist. Wir Menschen stellen uns über die Tiere, weil wir die Technologien dafür haben. Doch nur weil wir diese Macht besitzen, ist es nicht automatisch moralisch vertretbar, sie auch auszunutzen. Es gilt, die soziale Gerechtigkeit für Tiere einzufordern und genau die menschlichen Denkstrukturen angreifen, in der nicht-menschliche Tiere ausgenutzt, ausgebeutet und getötet werden. Speziesistische Diskriminierung ist so gängig, dass sie von den meisten Menschen nicht hinterfragt wird, es sei denn, es handelt sich um eine ungewöhnliche Form der Diskriminierung oder um ein besonderes Ausmaß dieser. Die Ausbeutung nichtmenschlicher Tiere ist für viele Menschen etwas Alltägliches. Umso wichtiger, Diskriminierungs- und Ausbeutungsverhältnisse zu beenden. Dafür sollten wir unsere eigenen Denkmuster und Verhaltensweisen immer wieder reflektieren und eine systematische Gewaltkultur aufgeben.