· 

Wehret den Anfängen!

Aggression bedeutet „an eine Sache herangehen“ oder „etwas in Angriff nehmen“. Es gibt Menschen, die sind Aggressor, weil sie in speziellen Momenten unkontrolliert wütend werden, sich mehr aufregen, als es für die Situation angemessen ist. Die Steigerung hiervon ist der gewalttätige Akt, eine Handlung, in der andere bewusst oder unbewusst verletzt werden. Wenn das alles auf Politiker*innen, Autokrat*innen oder Diktator*innen zutrifft, also Personen von Trump bis Putin, geht es oft einher mit größenwahnsinnigen Vorstellungen, (s)einen persönlichen Fußabdruck in der Geschichte zu hinterlassen.

 Dieser Fußabdruck ist der Antrieb, so „sein zu wollen wie“. Das bedeutet, dass Menschen wie Trump oder Putin Verhaltensweisen, Handlungen, Einstellungen, Meinungen usw. von anderen übernehmen (etwa Putin vom Zaren oder Trump vom Vater). Diese werden in ihr Selbst integriert und werden damit zum neuen Aggressor, ohne dass sie sich dessen bewusst ist und ohne, dass sie es vielleicht wollen. Innerlich fühlt sich diese Person noch immer in erster Linie als Opfer. Im nächsten Schritt gilt es zu klären, wer Opfer und Aggressor ist. Ist jemand, der/die die Bomben abwirft aggressiver, als jemand, der/die die Bombe entwickelt/gebaut hat, als jemand, der befiehlt, dass Bomben gebaut werden/fallen sollen?
Wer von sich selbst sagt, er/sie trage keine Schuld an den Verbrechen an die Menschlichkeit, die verübt werden in Kriegszeiten, ist im Schutz der Verantwortung losgelöst von der Identifikation mit der inneren Aggression. Fühlt sich nicht als Aggressor*in, sondern als Opfer. Diese Distanz ist auch eine Distanz zu sich selbst. Kein Reflex, sondern eine unbewusste Handlung, in der keine Selbst-Reflexion möglich ist. Bewusst aber sind deutliche Anzeichen von Aggression zu spüren. Eine Spannung etwa, die sich aufbaut, wenn Kritik von Außen einprasselt. So werden Kritiker*innen und kritische Personen liquidiert und sanktioniert, etwa, damit Politiker*innen, Autokrat*innen oder Diktator*innen nicht die Kontrolle über das Geschehen verlieren wollen.

Dunja Voss hat diesen Prozess ganz gut beschrieben:

„Da ist dieser Druck in mir. Diese Spannung, die so langsam aufsteigt und sich in meinem ganzen Körper breit macht. Und der, der mir gegenüber steht, verwandelt sich in jemanden, der mir nichts geben mag, der mir den Weg nicht frei macht, der Druck auf mich ausübt und dann bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn in den Schwitzkasten zu nehmen. Ich denke nicht darüber nach. Es ist tief in mir. Es ist fremd, aber es gehört doch zu mir. Es hat niemals angefangen, es war immer schon da. Und wenn es zu Ende ist, komme ich zu mir und denke: ‚Was habe ich da wieder getan? Das nächste Mal will ich mich beherrschen.’“

1

Es gilt also zu verstehen, inwieweit Menschen wie Trump oder Putin als Führungspersonen ihrer Wirkung bewusst sind, Einfluss geltend zu machen, weil die ICH-Stärke so ausgeprägt ist. Das territoriale Dominanzverhalten ist nicht nur das Streben, das eigene Ego zu füttern. Denn in Konfliktsituationen mit diesen Menschen ist es viel schwieriger, die eigenen Gefühle und die eigenen Ansichten zu behalten, als wenn jemand nicht so sehr bedeutsam ist. Aggressionen sind demnach ein moralischer Messwert, in dem unterschiedliche Handlungen gekoppelt sind an dem Wert eines Menschen. Wie viel ist ein Menschenleben wert, wenn politische Führungskräfte ihr gesundes Selbstbild aufgeben und die dunklen Schatten-Seiten ihrer Persönlichkeit ausleben?  Dann ist es notwendig, den Aggressoren zu stoppen, weil kein Dialog mehr möglich ist, weil ein innerer Dialog nicht stattfindet. Das höchste Maß an Aggression ist für mich dann erreicht, wenn alte, unbewältigten Konflikte aufflammen: Zu den aktuellen Emotionen kommen die alten, unverdauten dazu, die meist viel stärker sind. Der Mensch ist dann ein „Pulverfass“ und kann jeden Moment explodieren. Das erleben wir derzeit mit den Verantwortlichen des russischen Angriffskrieges. Da wird jedes Maß von Vernunft und Rationalität aufgegeben, um dich ICH-Stärke zu füttern. Viel wichtiger ist es, immer an die Opfer dieser Aggressoren zu denken, sich mit ihnen zu solidarisieren und unterstützen wo es nur geht. Weil wir uns der Frage bewusst sein müssen: Was passiert, wenn wir körperlicher oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind, die wir nicht aushalten – z. B. durch politischen Terror und Folter oder anderen traumatischen Erfahrungen? Angst und Ohnmacht, Erfahrungen von Traumatisierungen zu ertragen und zu verarbeiten ist eine lebenslange Aufgabe. Aggressive Handlungen hingegen sind nur eine kurze Aktion, besitzen aber immer eine höhere Intensität. In diesem Sinne:

Wehret den Anfängen!


Fußnote: