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FHEELS

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FHEELS ist ein gutes Beispiel für gelebte Inklusion

Felix Brückner ist Sänger und Gitarrist der Band FHEELS.
FHEELS wurde 2015 von Felix und Schlagzeuger Justus gegründet, als beide an der Hamburger School of Music studierten und erste Eigenkompositionen vorspielten.
FHEELS bewegen sich musikalisch durch Rock, Jazz und Psychedelic Prog, bauen Brücken zwischen Rock-Vergangenheit und zeitgenössischer Moderne, vereinen Anspruch und Eingängigkeit ebenso wie kreativen Wagemut und musikalische Raffinesse.

Sänger und Gitarrist Felix ist seit einem Snowboarding-Unfall mit 17 Jahren querschnittgelähmt. Felix wünscht sich, dass die Menschen seine Behinderung als etwas Selbstverständliches annehmen, ihn als Musiker wahrnehmen und er keine überzogenen Respektbekundungen oder Mitleid bekommen will. Darüber hinaus engagiert Felix sich bei der „Initiative Barrierefrei Feiern“, die Veranstalter*innen von Festivals zum Thema Barrierefreiheit beraten.


»Darüber hinaus musste ich schneller erwachsen werden, weil ich nun(...)Verantwortung für 2/3 meines Körpers übernehmen muss, die ich nicht mehr spüre.«


Felix, du bis seit einem Snowboard-Unfall querschnittgelähmt. Woran erinnerst du dich?
    Dafür muss ich ganz kurz die Situation erläutern. Ich war im Skilager mit meiner damaligen Abiturstufe und zusammen mit zwei anderen Schülern, die ebenfalls Snowboarder waren, abseits der Piste unterwegs. Warum abseits der Piste? Weil es, wenn man einigermaßen stabil auf dem Brett unterwegs ist, einfach mehr Spaß macht.
Leider begleitete uns dabei auch unser jugendlicher Leichtsinn denn wir haben uns vorher nicht genau das Gelände angeschaut, in dem wir unterwegs waren. So landete ich sehr überrascht an einem Felsvorsprung, der schlicht zu hoch war (ca.7-10 m), um darüber zu springen. Also hielt ich an, schnallte mein Board ab und versuchte mich bergauf wegzubewegen. Aufgrund des lockeren Tiefschnees rutschte ich aber letztlich ab und fiel über den Vorsprung in die Tiefe. Den Aufprall bekam ich schon nicht mehr mit, weil ich direkt für ein paar Minuten bewusstlos war. Das nächste, an das ich mich erinnern kann, waren die Schreie einer meiner Begleiter, die aufgrund einer etwas anders gewählten Linie an diesem Fels vorbeifahren konnten.
Auf die Aufforderung hin aufzustehen, spürte ich das erste Mal, dass ich dies nicht mehr kann und brach verzweifelt in Tränen aus. Der zweite meiner Begleiter alarmierte inzwischen die Bergrettung, die umgehend den nächstgelegenen Hubschrauber organisierten. Bei der Landung wurde so viel Schnee aufgewirbelt, dass ich kaum Luft bekam und Angst hatte zu ersticken. Das ist mir tatsächlich sehr stark im Kopf geblieben. Von der Unfallstelle ging es dann direkt nach Bozen für eine Not-OP und nach ein paar Tagen zurück nach Deutschland für 6 Monate Reha in Bayreuth.  

War dir das Risiko, während des Sports jederzeit zu verunfallen, stets bewusst?
    Nicht wirklich, ich war viele Jahre vorher schon auf Abfahrtsski in den verschiedensten Skigebieten auf und abseits der Piste unterwegs. Noch dazu war ich 16, selbstbewusst und sehr sportlich, was noch mehr als ohnehin in diesem Alter zum Gefühl von Unverwundbarkeit führte. Der Fakt, dass ich nicht mit Helm und Protektoren unterwegs war, unterstreicht das ganz gut. 

Was hat sich seit der Diagnose Querschnittlähmung in deinem Leben konkret verändert?
    Das erste, was mir dazu einfällt, ist tatsächlich das neue Körpergefühl. Bei mir ist es so, dass ich brustabwärts komplett (d. h. ohne Gefühl oder motorische Fähigkeiten) gelähmt bin. Das bedeutet wiederum, dass ich nicht mehr in der Lage bin Rumpf/ Bauchmuskulatur anzusteuern und bspw. das Sitzen komplett neu erlernen musste.
In den ersten Tagen im Rollstuhl hatte ich deshalb permanente Angst bei der kleinsten Bewegung oder Erschütterung, aus meinem Gefährt zu fallen und dann hilflos dazuliegen. Durch Krankengymnastik, Rollstuhl- und Krafttraining sowie viele Stunden im Rollstuhl veränderte sich das aber zum Glück relativ schnell.
Darüber hinaus musste ich schneller erwachsen werden, weil ich nun, so blöd es klingt, Verantwortung für 2/3 meines Körpers übernehmen muss, die ich nicht mehr spüre. Jugendliche Trinkexzesse haben sich bspw. deshalb sehr in Grenzen gehalten.

Fotocredit: Yosua Pandelaki
Fotocredit: Yosua Pandelaki

Es gibt ja verschiedene Phasen in der Bewältigungsstrategie. Welche davon waren bei dir emotional/psychisch am meisten ausgeprägt?
    Nach Tagen der Trauer, Verzweiflung, Wut, lebensmüden Gedanken und unerfüllten Hoffnungen auf Besserung, war meine Bewältigungsstrategie und Therapie größtenteils die Selbsterfahrung und Begegnung mit anderen behinderten Menschen. Bspw. führte die „Mobilisierung“ meinerseits – d. h., dass ich in den Rollstuhl gesetzt wurde – nach einigen Tagen zu einer Perspektive von zukünftiger Selbstständigkeit, die ich, im Bett liegend, nicht mehr hatte.
Außerdem hatte ich das Glück Menschen mit viel schwereren Behinderungen kennenzulernen, die ihr gesamtes Leben auf ständige Hilfe angewiesen sein werden und trotzdem so von unerschütterlicher Lebensfreude und Motivation strotzten, dass ich mir dachte, wer bist du Felix, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken.
So führte das Eine zum Anderen, und ich gelangte mehr und mehr zum wichtigsten Punkt meiner Bewältigung: Der Akzeptanz meiner Behinderung in Allem, was das bedeutet.
Heute bin ich extrem froh über meine jugendliche Entscheidung, weil das, was ich mir damals gewünscht habe, tatsächlich in Erfüllung ging. Ich bin komplett autonom in der Lage mein Leben zu führen. So habe ich mehrere Monate alleine in New York und Rio gelebt und sooo viele, sooo lebenswerte Erfahrungen in den letzten Jahren machen dürfen, dass es sich extrem gelohnt hat, nicht aufzugeben.

Freund*innen und Familie, aber auch andere Betroffene gestalten den individuellen Verarbeitungsprozess wesentlich mit. Wie war das bei dir?
    Vor allem meine Familie, die permanent an meiner Seite war und zu der ich nach meiner Reha zurückkehren konnte (nicht selbstverständlich). Weil sie unser Haus umgebaut hatten, war das rückblickend eine riesige emotionale, als auch strukturelle Stütze. Auch mein Freundeskreis, der sich nur geringfügig veränderte, half mir sehr, unter anderem meine Jugend und alles, was damit einhergeht, wieder (er)leben zu können. 


»Ich bin durch meine Selbsterfahrung an den Punkt gelangt, dass man immer erst die Lebenswirklichkeit teilen muss, um Dinge zu beurteilen.«


Welche positiven Aspekte hast du dem Alltag im Rollstuhl bislang abgewinnen können?
    Grundsätzlich würde ich sagen, dass meine Behinderung mein Leben weder in eine negative noch in eine positive Richtung sonderlich beeinflusst hat. Ich führe einen sehr normalen Alltag, der sich fast gar nicht von dem nichtbehinderter Menschen unterscheidet und weder besser noch schlechter ist.
Das bedeutet wiederum auch, dass die positiven Aspekte meines Lebens nicht von meinem Rollstuhl abhängig sind oder beeinflusst werden.
Eine Sache gibt es vielleicht auf persönlicher Ebene. Ich bin durch meine Selbsterfahrung, dass das Leben mit einer Behinderung nicht vorbei ist, so wie ich das in meiner jugendlichen Naivität annahm, an den Punkt gelangt, dass man immer erst die Lebenswirklichkeit teilen muss, um Dinge zu beurteilen.
Nur so ist es möglich zu verstehen und diese Perspektive hilft mir im Alltag.

Wie hast du dir deine Unabhängigkeit und Selbständigkeit bewahrt?
    Durch einen sehr normalen Lebenslauf mit dem Willen zur Autonomie würde ich sagen. Ich bin tatsächlich nach meinem Unfall sehr bewusst wieder an meine alte, nicht barrierefreie Schule zurückgekehrt. Konnte dort durch meine Freunde, die mich teilweise in jeder Pause zwischen den Stockwerken hoch und runter getragen haben, mein Abi in meiner alten Klasse fertig machen. Danach war schnell klar, dass ich studieren möchte, bin mit 19 in meine erste Studentenbude nach Jena gezogen und war so zur Selbstständigkeit gezwungen. Über weitere Stationen wie New York, Rio und aktuell Hamburg, hat sich das nie wieder verändert und war so, wie gesagt, eigentlich ein sehr normaler Abnabelungsprozess mit Willen zur Autonomie gegen das Bild des hilfsbedürftigen Menschen mit Behinderung.

Fotocredit: Photospokus
Fotocredit: Photospokus

In welchen konkreten Momenten fühltest du dich diskriminiert/ausgegrenzt?
    Das ist ein sehr weites Feld, aber vielleicht bleiben wir bei der Kulturlandschaft. Hier ist es nach wie vor und grundsätzlich so, dass man davon ausgehen muss auf Barrieren zu treffen. Sowohl als Musiker ist es schlicht Alltag, auf die Bühne getragen zu werden, weil es so gut wie keine barrierefreien Aufgänge gibt, als auch als Gast, der entweder gar nicht erst reinkommt oder im inneren es Clubs feststellt, nicht auf Toilette gehen zu können.
Auf die Situation einstellen kann man sich nicht, weil fehlende Barrierefreiheit schlicht nicht kommuniziert wird. Das heißt, und deshalb sagen sich viele Menschen mit Behinderung „ich bleib Zuhause“, man muss sich immer darauf einstellen, sich in einer sehr unangenehmen Situation wiederzufinden. Ich nenne mich selbst „Worst Casler“, weil ich das sehr lange so akzeptiert habe, um nicht auf mein kulturelles Leben verzichten zu müssen. Mittlerweile bin ich durch meine Arbeit in der Band als auch innerhalb der „Initiative Barrierefrei Feiern“ an den Punkt gelangt mich aktivistisch für Veränderungen einzusetzen. Es sind in erster Linie erst mal die Barrieren im Kopf die bei Veranstaltenden durch Aufklärungsarbeit genommen werden müssen.


Der Ex-Snowboarder Patrick Mayer hat nach seiner Querschnittlähmung Kufen für Rollstühle produziert. Spornt dich das an, weiterhin Snowboard fahren zu können?
    Um ehrlich zu sein nein, weil sich meine Interessen einfach verändert haben und ich dadurch kein großes Bedürfnis empfinde wieder aufs „Board“ zu steigen. Nichtsdestotrotz ist das Engagement von Patrick super!

In dem Dokumentarfilm „Love & Sex & Rocknrollstuhl“ berichten vier Menschen über ihre Sehnsucht nach Nähe und Erotik. Viele denken bei Behinderung nur an Leid und Verzicht. Wie ist deine Erfahrung und dein Umgang als Betroffener mit Befangenheit und einer Fremddefinition hin zu einer Stigmatisierung?
    Diese Stigmatisierungen und Klischees sind und waren etwas sehr Normales. Ich für meinen Teil habe mich sehr lange einfach damit abgefunden und so dafür gesorgt, dass sie mich nicht mehr verletzen.
In den letzten Jahren hat sich das aber verändert, weil ich mich in der Lage sehe Dinge zumindest in meinem überschaubaren Einflussbereich anzustoßen. Falsche Fremddefinitionen und Stigmata sind die Symptome von fehlender Inklusion, fehlenden Berührungspunkten, fehlendem Perspektivwechsel, schlicht fehlender Normalität von Menschen mit Behinderung im Alltag von Menschen ohne Behinderung. Diese Normalität kann nur verändert werden, wenn wir in allen Bereichen vom Mindset der Menschen, angefangen bishin zu baulicher Infrastruktur barrierefreie werden und dafür setze ich mich ein.

Wie willst du das Thema „Sexualität und Behinderung“ aus der Problem-Ecke herausholen?
    Man muss Dinge präsent machen, man muss sie in den Alltag von Menschen ohne Behinderung holen, man muss die Auseinandersetzung forcieren um zu einem neuen „normal“ zu gelangen. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen ein sehr erotisches aber nicht pornografisches Video zu drehen und die Rückmeldungen haben gezeigt, dass genau das uns gelungen ist. Menschen Bilder zu zeigen, die in der Normalität ihres Alltags sonst nicht zu sehen sind.

Was sind die größten Hindernisse auf dem Weg zu mehr Inklusion?
    Fehlende Barrierefreiheit! Wenn es behinderten Menschen möglich wäre ihr Leben mit der Flexibilität, Spontanität und Autonomie zu leben, wie das Menschen ohne Behinderung können, würde es automatisch zu einem viel normaleren Miteinander kommen. Das bedingt wiederum einen viel intensiveren Austausch, einen Perspektivwechsel, das automatisch Mitdenken der Bedürfnisse und letzten Endes gelangen wir so zum heiligen Gral der gelebten Inklusion.
    
Wie du bereits mehrfach erwähnt hast, setzt du dich für mehr Barrierefreiheit ein. Wo gibt es in Hamburg, bezogen auf subkulturelle Veranstaltungen, großen Nachholbedarf?
    Ich würde sagen, es gibt in Bezug auf die gesamte Kultur, selbst im subventionierten Bereich des Theaters, noch Nachholbedarf. Warum dürfen Menschen mit Behinderung sich ihren Sitz-Stehplatz nicht aussuchen? Warum dürfen sie nicht den Haupteingang nutzen, sondern müssen durch den Eingang, der sonst nur für Equipment genutzt wird geschleust werden? Warum können behinderte Menschen 2022 in den etabliertesten Klubs mit Kapazitäten von mehreren tausend Besucher*innen nach wie vor nicht die Toilette nutzen? Da gibt’s noch sooooo viel zu tun!