m Rückblick war dieses Jahr vor allem und wieder mal geprägt von Krieg(szeiten), verantwortlich dafür eine Spezies, die Herbert in seinem gleichnamigen Lied besungen hatte: Männer. Und es sind Männer, die Richter und Henker spielen, wenn es darum geht, über den Umgang mit dem Körper einer Frau* zu entscheiden. Abtreibungsverbote in den USA. Die Entscheidung Roe v. Wade von 1973 hatte zuvor das Recht auf Abtreibung sichergestellt. Es ist eines der seltenen Male in der amerikanischen Geschichte, dass das Gericht ein zuvor als verfassungsmäßig erklärtes Recht wieder zurücknimmt – und das gegen die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung. Wenn eine direkte Beteiligung im Sinne einer direkten Demokratie möglich wäre, gebe es vielleicht auch ein Volksentscheid darüber, ob eine Nation (sic!) in den Krieg ziehen soll ist oder nicht. Sollte es so etwas wie „Volksentscheide“ darüber geben, ob wir in den Krieg ziehen?
In der Frage um Krieg und Frieden hat sich der Philosoph Immanuel Kant für die Demokratie ausgesprochen, weil er meinte, würden Bürger*innen die Entscheidung überlassen, in den Krieg zu ziehen
oder nicht, würden sie sich gegen den Krieg entscheiden, weil sie diejenigen wären, die erschossen würden. Darauf basiert Kants Argumentation in seinem Aufsatz über den ewigen Frieden von
1795.
Kanada stimmte im Jahr 1942 dafür, die Frage über die Rekrutierung im Zweiten Weltkrieg vom Volk entscheiden zu lassen. Die Australier stimmten während des Ersten Weltkriegs zweimal über die
Wehrpflicht ab. Das erste Ergebnis war ein „nein“. Aber würde eine akute, unmittelbare Bedrohungslage diese Entscheidung maßgeblich beeinflussen: Ich denke ja. Das haben wir niedrigschwellig im
Lockdown gesehen und sehen das während der sogenannten Corona-Maßnahmen. Es gab und gibt nicht wenige, die rücksichtslos, egoistisch und unsozial agier(t)ren und handel(te)n. Es ist davon
auszugehen, dass diese Personen in der Minderheit sind. Aber je länger Regressionen und „von oben“ verordnete Maßnahmen andauern, fühlen sich viele Menschen in ihrer Freiheit eingeschränkt und
begehren auf. Gründe dafür sind so vielseitig wie politische radikale Gruppen und Köpfe, die diese zu instrumentalisieren versuchen. Angst spielt eine zentrale Rolle. Dabei beinhaltet das „Zu
sich selbst finden“ eine richtungsweisende rhetorische Frage: Wohin führt das Leben jetzt? Und nicht wenige hängen den Zusatz daran: Und welchen Vorteil bekomme ich? Das ist ein wirklich
interessanter Gedanke, denn im Grunde finden wir uns doch alle ständig in Lebenssituationen wieder, in denen wir uns entscheiden müssen. Dennoch lässt sich feststellen, dass jede Entscheidung zu
einem gewissen Maß Unsicherheiten und Ängste mit sich bringt. Doch diese Unsicherheiten müssen nicht zwangsläufig lähmend sein. Gut kanalisiert können sie sogar Antrieb geben und die Entscheidung
vorantreiben. Voraussetzung dafür: Wenn wir über konkrete Themen reden, debattieren und abwägen, was im Sinne der Humanität die richtige Entscheidung sein könnte. Solange es aber Wortumdeutungen
wie „gerechte Kriege“ oder Abtreibungsgegner*innen ein bestimmtes Framing verwenden und Begriffe besetzen, um Gesetze und die öffentliche Meinung über Schwangerschaftsabbrüche im Sinne der Ziele
der Lebensrechtsbewegung zu beeinflussen (Beispiel: Pro Life vs. Anti Life), müssten wir die Frage diskutieren, inwieweit der moralisch-ethische Kern der menschlichen Grundrechte die Bewahrung
des Friedens, zum anderen der Sicherung der Selbstbestimmung politischer Gemeinschaften und der in ihnen lebenden Individuen garantiert.