BERLIN DISKRET
Erinnere dich LP
Flight 13 Records/Indigo
Es gibt kaum eine andere Stadt wie Berlin, die einige (Post)Punk-Bands in ihren Bandnamen implizieren. Ob Berlin Blackouts, Berlin Berlin 2.0, Berlinska Dróha oder Berlin Diskret. Und irgendwie
ist es ein Bäumchen-Wechselspiel nach feinster Hamburger (Subkultur)Art. Eben hier und schon wieder dort und fort, aber auch mit den anderen von denen wieder drin. Schmelzi Käsefaust, Simon und
Jacho sind im Kreuzberger Nachtleben verschwunden, im Hinterhof-Kiez abgetaucht oder tauchen Hühnerherzen in den Eimer. Macht nix.
Elli, Don Lotze, Asphalt Tiger und The Artist Formerly Known As Metal Warrior zelebrieren die Melange aus Punk-New-Wave-Garagen-Trash und frech-provokanten Inhalten. Ob der Ernst des Lebens oder Banalitäten des Alltags. Irgendwo schimmert der WG-Küchendreck durch, dringt der „Eff Jott“ Krüger-Appeal in den Backings hervor, während Elli staunt, raunt, süffisant flucht oder theoretische Fragen stellt, die perplex machen. Müll im Gesicht, Allergien und Analysen. IDEALerweise ist das Repertoire ein Zurück in die Pionierzeit der 80er Mauerstadt-Ära, wo exzentrisch, exzessiv getanzt, getrunken und geraucht wurde. Diskussion und Revolution zwischen dunklen Mosaik-Fliesen und chronische Menstruationsschmerzen. "Was willsten mit der?" Macker- und Machosprüche werden konterkariert oder in den laktosefreien Kakao gezogen. Da, wo die Frau mit dem Kinderwagen und der ALDI-Tüte mit dem Brief vom Jobcenter in der Hand steht, ist entweder Humor und Verstand gefragt oder die Ironie des Schicksals. Berlin Diskret haben beides im Gepäck und alle Sorgen lösen sich wie der leere Blick durchs Schlüsselloch auf, selbst wenn die Augen brennen und der Darm schon wieder rumort. Auch wenn die Originale ausgehen in der Stadt, einst Paradies für Freaks, Punks, Sonderlinge, Aussteiger, Revoluzza und Künstlertypen, ist es nicht mehr so öde und leer, weil die Nischen mehr gedeihen als zuvor.