SIKSA (jiddisch: עסקיש, romanisiert: shikse, abwertendes Wort für eine junge Frau, die als vulgär, unerfahren und unreif wahrgenommen wird) ist ein feministisches Duo, bestehend aus Alex Freiheit und Buri mit Stimme, Bass, Text und Performance.
Siksa bricht normative Regeln der Gesellschaft, tut dies bewusst, entschuldigt sich für nichts und lacht darüber.
Die Shows von SIKSA vereinen die Energie eines Punkkonzerts, performative Poesie und theatralischer Tanz. Dank der Interaktion mit dem Publikum erhält jede Show einzigartige dramatische
Qualitäten. In den Grenzen der Instrumente und der Bühnenpräsenz findet das Duo die Kraft, einen eigenen Weg zu beschreiten. Manchmal beruhen sie auf Kindheitserinnerungen, manchmal auf Märchen
und Legenden oder auf der Realität, die durch die ungehemmte und ungezügelte Vision von SIKSA verändert wird. In ihrem Werk trifft das Persönliche auf das Politische und das Unausgesprochene auf
das Ohrenbetäubende. SIKSA spielte über 300 Konzerte in ganz Europa, von kleinen Clubs und besetzten Häusern über zeitgenössische Kunstgalerien bis hin zu den größten europäischen Festivals.
Alex Freiheit ist Performerin und Dichterin. Darüber hinaus führt sie Workshops für Mädchen, Jugendliche und für diejenigen durch, die für wenig Geld auf eigene Kosten auftreten wollen. Des
Weiteren ist sie Autorin des Gedichtbandes „Natalia ist sex, Alex ist Freiheit“, sowie Mitgestalterin von „Stabat Mater Dolorosa“, einem Musical über den Tod und ein Mädchen.
Man könnte diesen Film ein visuelles Album nennen: Jeder Song auf der LP bekommt einen eigenen Videoclip, wie ein Tableau, präzise inszeniert, geradezu mit Highgloss bebildert, zu oftmals
geschrienen Texten und eindringlichem Noise. Hier wird Widerspruch zu den Verhältnissen im heutigen Polen aus agiert, laut und deutlich.
Das Recycling von Ideen führt zu einem eigenen Stil. Hinzu kommt: ein Ausdruck bei Konzerten, der stilistisch an Performance erinnert (von Ewa Partums Reflexionen über den weiblichen Körper bis
hin zu feministischen Poetry Slams im Stil von Denice Frohman oder Elizabeth Acevedo) und eine Überschreitung der dualistischen Trennung zwischen den passiven Zuschauer*innen und den
Künstler*innen, die das Publikum unterhalten. All dies ergibt eine explosive Mischung, die mit den frühen Performances von Punkrock-Künstler*innen von Poly Styrene und THE SLITS, X-RAY SPEX bis
PUSSY RIOT verglichen werden kann.
Die Community, die am meisten Gemeinsamkeiten mit SIKSA aufweist, ist die Riot-Grrrl-Szene, die Anfang der neunziger Jahre in den Vereinigten Staaten durch die Aktivitäten punk-feministischer
Bands wie Bikini Kill, Tribe 8 und Team Dresch entstanden ist und sich auf die androgyne Patti Smith, die erotische Debbie Harry von Blondie oder die unbekümmerte Poly Styrene von X-Ray Spex
bezieht.
Der übergreifende Slogan der Szene lautete „Girls, to the front!“, denn damit wollte frau diejenigen, die sich sonst vor dem stürmischen Pogo scheuten, ermutigen, ihre eigene Band zu gründen, auf
der Bühne zu stehen und Musik zu machen. Kim Gordon, Bassistin/Sängerin der Band Sonic Youth, erklärte Unsicherheit und Scham folgendermaßen:
„Unsere Kultur lässt den Frauen nicht die Freiheit, die sie sich wünschen, weil sie Angst erzeugt. Solche Künstlerinnen werden entweder abgelehnt oder für verrückt gehalten. Weibliche Sängerinnen, die zu viel und zu hart singen, überleben vorwiegend nicht lange. Sie sind wie Pfeile im Flug, Funken, Kometen: Janis Joplin, Billie Holiday. Außerdem zeigt eine Frau, die an ihre Grenzen geht, auch die weniger wünschenswerten Seiten ihrer selbst. Letztlich sind Frauen dazu da, die Welt zu erhalten, nicht sie zu vernichten.“
zitiert in: Kim Gordon: Girl in the Band, 2015, S. 141.
Wenn man den musikalischen und künstlerischen Stammbaum von Siksa umreißen müsste, würde er auf Queercore, Riot Grrrl, der Teenager-Faszination von Britney Spears und Hip-Hop basieren oder umgekehrt auf die in den Vereinigten Staaten lebende trinidadische Rapperin, R&B- und Pop-Sängerin und Schauspielerin Nicky Minaj, dazu auf die US-amerikanische Avantgarde-Performancekünstlerin, Sängerin und Komponistin Diamanda Galas oder Lydia Lunch. Es handelt sich nicht nur um eine Reihe von Inspirationen, sondern um eine Art Gegenkultur-Cocktail aus Popkultur und Protest. Subversion ist die erste Lektion, die mensch braucht, um die richtige Form zu finden. Oft ist es die Verwendung von dem, was schon da war: Punk-Riffs, Geschrei oder extravagante Outfits/Kostüme.
Wenn Alex auf der Bühne in das Mikrofon schreit: „Wer weiß besser als du, wie man ein böses Mädchen zähmt / und es der ganzen Nachbarschaft wissen lässt“, bricht sie mit Konventionen und bezieht sich darauf, kein nettes Mädchen sein zu wollen. Und so lässt Kritik nicht lange auf sich warten und kommt, wer hätte das vermutet, vor allem aus den Reihen männlich konnotierter Zuhörer, die nach dem Prinzip des Mansplaining, des Erklärens der Welt, Alex vorschreiben, was und wie sie zu spielen hat. Alex verwendet einige dieser Kommentare, die in den sozialen Medien auftauchen, in ihren Posts oder webt sie bei Konzerten zwischen die Songs ein. So transportiert sie ungefiltert Gefühle von Besorgnis, Sexismus und Frauenfeindlichkeit.
Idealerweise sollten Künstlerinnen natürlich nicht ewig ihre Sexualität in den Vordergrund stellen, sondern den öffentlichen Raum gleichberechtigt nutzen. Andrea Juno, Autorin von zwei Interview-Sammlungen mit Rockkünstlerinnen sieht das ähnlich:
„Ich blicke mit Neugier auf eine Zukunft, in der geschlechtsspezifische Fragen nicht mehr das beherrschende Thema sein werden, aus dem Bereich der Macht entfernt werden, und dann können wir uns mit wichtigeren Fragen beschäftigen, die unser Überleben und unseren Spaß auf dem Planeten betreffen“.
Andrea Juno „Angry Women in Rock, vol.1“
In Alex' Texten ist das Thema „Körperlichkeit“ immer noch stark vertreten, vor allem in ihrer ersten Schaffensperiode. Auch eines der Kapitel des Gedichtbandes „Natalia ist sex. Alex ist
Freiheit“ trägt den Titel „Der Körper“ und handelt von der Wahrnehmung einer Frau durch das Prisma ihres Aussehens. Aber auch in anderen Texten taucht das Motiv der Kontrolle der weiblichen
Körperlichkeit und ihrer Grenzen auf, also die normative Erwartungshaltung bezogen auf Schönheitsideale (schön, schlank). Eine ähnliche Taktik wird von einigen Aktivistinnen der
Body-Positive-Bewegung angewandt, mit der sie Auseinandersetzungen um ihr Äußeres wirkungsvoll vorantreiben. Denn beim Körper geht es auch darum, wie die Zeit vergeht, wie sich der Körper
verändert und welche Erwartungen damit an Frauen gestellt werden: „Wenn ich jünger wäre / würde ich nicht zunehmen / würde ich nicht dick werden / würde ich keine Falten bekommen / würde ich die
Welt nicht in den Arsch ficken“!
In der Zwischenzeit ist die Punk-Performance und der provokante Inhalt durchsetzt mit dem Kampf darum, wahr- und ernstgenommen zu werden. Es ist, als ob es Alex nicht möglich wäre, sich eine Zeit
lang mit etwas anderem zu beschäftigen. Und doch kann es bei einem Übermaß an Engagement krank machen wie sie auf dem Album „Poskromienie złośnicy“ singt: „Ich habe Angst, dass ich mich selbst
verliere, indem ich auf alles reagiere / verrückt werde“. Es stellt sich also die Frage, welche Rolle Alex auf der Bühne übernimmt, denn, wie sie selbst auf dem Album „Zemsta na wroga“ singt:
„Ich bin nicht gekommen, um dich zu belästigen / Ich bin nicht gekommen, um dich zu erschrecken / Ich bin nicht gekommen, um dich zu beleidigen / Dabei... warum bin ich hierhergekommen?“
Vor Kurzem ist Alex' neuestes Werk erschienen. Das von der Warschauer feministisch-queeren Initiative „Girls and Queers to the Front“ herausgegebene Buch „...and the She-Devil bangs with a bass“ von SIKSA (illustriert von Łukasz Przytarski) ist ein Punk-Libretto und eine verquere Legende, die mit zahlreichen Stimmen erzählt wird. Es ist eine subversive Geschichte über die Übernahme von Erzählungen und die Schaffung einer eigenen Sprache, die sich den Regeln entzieht und ein belebendes Chaos einführt. Seit Anfang 2023 wurde der Text von SIKSA bei zahlreichen Konzerten vorgetragen und wird auch in naher Zukunft bei Live-Shows zu hören sein.