AIB #139
68 DIN-A-4 Seiten; € 3,50.-
AIB, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin
https://www.antifainfoblatt.de/
Mit dem Schwerpunkt wirft das Redaktions-Kollektiv einen Blick auf die Verbindung des deutschen Adels mit dem Faschismus. Bezeichnend ist die Tatsache, dass der Historiker
Stephan Malinowski für sein erstelltes Gutachten über die Verstrickung der Hohenzollern in die NS-Diktatur Strafanzeige von die Hohenzollern gestellt worden ist. Die Rolle der Hohenzollern im
Dritten Reich gehört zu Kernfragen der deutschen Geschichte. Malinkowski hat daraufhin mit seinem Sachbuch »Die Hohenzollern und die Nazis. Geschichte einer Kollaboration« eine überzeugende
Antwort auf die Restitutionsforderungen der Hohenzollern belegt. Drei Generationen in dieser Familie haben mit den politisch relevanten Handlungsträgern versucht, die Republik zu zerstören und
den Nationalsozialismus zu unterstützen, und zwar von Anfang bis Ende.
Ein weiterer Beleg dafür wie sich der deutsche Adel im Vernichtungskrieg von Wehrmacht und SS bereichert hatte, ist das Fallbeispiel vom Clan des Hauses von Oldenburg. Die Anbiederung Nikolaus
von Oldenburg an die Nationalsozialisten war durchaus typisch für den nord- und ostdeutschen Adel. Ihrer historischen Verantwortung nicht stellen will sich die bekannteste Vertreterin der
einstigen Adelsfamilie Oldenburg, Beatrix von Storch, die gegen die europäische Idee hetzt und vom Schusswaffengebrauch gegen Geflüchtete fantasiert.
Andreas Kemper widmet sich im Artikel die Verbindungen von Adelnetzwerken und Antifeminismus. Die Familienstrukturen basieren meist auf einen zutiefst christlichen Glaubens mit entsprechenden
Familienstrukturen. Der christlich-fundamentalistisch-antifeministische „Adel“ wie Johanna Hohenberg arbeitet mit Sophia Kuby, die Tochter der bekannten katholischen Antifeministin Gabriele Kuby
in Wien für Alliance Defending Freedom International zusammen, die wiederum für das konspirative Netzwerk Agenda Europe verantwortlich ist. Jedes Jahr werden aktuell über eine Million Dollar nach
Europa transferiert, um einer christlich-fundamentalistischen Sexual-, Bildungs- und Familienpolitik näherzukommen.
Ein weiteres Beispiel: Hedwig Freifrau von Beverfoerde war zunächst im Kontext des Kampagnennetzwerkes der Zivilen Koalition von Sven und Beatrix von Storch für die Thematik der Initiative
Familien-Schutz zuständig. Sie gab diese Aufgabe schließlich an die von Storchs ab und übernahm von ihnen die Koordination der Demo für alle. Diese arbeitet mit dem spanischen antifeministischen
Netzwerk CitizenGo zusammen.
Gesamteindruck:
1919 wurden durch das Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung alle Standesvorrechte des Adels abgeschafft. Streng genommen gibt es also keinen Adel mehr in Deutschland. Die Geschichte der politischen Wirkmächtigkeit des „Adels“ ist sehr umfangreich, obwohl der Adel schon seit über einhundert Jahren als ungleichzeitige Klasse auf den Müllhaufen der Geschichte gehören sollte. Und das jüngste Beispiel vom Reichsbürger Heinrich XIII. Reuß zeigt, dass Umsturzfantasien zurück ins Mittelalter real sind und sich Anhänger*innen der Verschwörungsideologie auf deutsche Adelsfamilien beziehen.