BRAUSEPÖTER
Keiner kann uns ab LP
Tapete Records
Brausepöter (Martin Lück: Gesang, Gitarre, Synthi und Bernd Hanhardt: Bass, Kemper: Drums) gründeten sich 1978 in Rietberg/Ostwestfalen und hießen ursprünglich Nordwestdeutsches Eiterlager
(NWE). Die Namensänderung in BRAUSEPÖTER basierte auf ihren Kumpel Brause, den die Musiker immer Brausepöter nannten und der früher mit der Band abhing. Ihr erstes Tape, "Immer der
gleiche Scheiß", erschien 1979 im Eigenvertrieb und enthielt zehn frühe Punkrock/New Wave-Titel.
1980 schickte Alfred Hilsberg die Band zur Aufnahme der 7" "Liebe, Glück, Zufriedenheit" ins Studio. Sie ist eine der frühesten Veröffentlichungen des Hamburger ZickZack-Labels (ZZ18). Die Band
war von dem abgemischten Sound her sehr unzufrieden. An den Reglern saß ein Jazz-Rocker und hatte die Songs überproduziert, mit Hall-Effekten versehen, die den ursprünglichen Garagensound
übertünchte. Ursprünglich sollte die Platte, 1979 mit einem Saba-Kassettenrekorder und zwei eingebauten Mikrofonen aufgenommen, bei ZickZack erscheinen, aber daraus wurde nichts. Das Label hatte
kein Geld, und dann sind die Musiker irgendwann weggezogen. Im Dezember 1980 spielte BRAUSEPÖTER zusammen mit ABWÄRTS, DIE RADIERER und EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN auf dem Zickzack-Festival in der
Hamburger Markthalle. Von der Kommerzialisierung der Neuen Deutschen Welle angeödet, löste sich die Band im Jahr 1982 auf.
Die Kassette mit den Aufnahmen hatte die Band aber noch. Diese Aufnahmen wurden 2012 von Überfall Records und Fin du Monde veröffentlicht. Das kleine New Yorker Plattenlabel Wild Isle hat dann
noch „Bundeswehr“ und „Keiner kann uns ab“ in den USA rausgebracht. Seit 2010 steht Brausepöter wieder in Urbesetzung auf der Bühne und gibt in losen Abständen Konzerte und hat
mit „Selbstauslöser“ (2015) und „Nerven geschädigt“ (2019) bereits zwei neue Platten veröffentlicht.
Die Songs auf „Keiner kann uns ab“ haben einen erstaunlich guten garagigen Live-Sound. Martin schreibt dazu: „Aufgenommen haben wir alles im 'Büro'. Wir hatten keinen Proberaum, also gingen
wir in das ehemalige Bürozimmer meines Vaters(...)“. Der Mix aus Proto-Punk, No Wave, Ska, Rock und Garage ist ein Feuerwerk an kreativen Ideen mit einem speziellen Brausepöter-Sound, der näher
an den Television Personalities, näher an The Fall oder an den frühen Mekons angelehnt ist. Bundeswehr ist ein herausragender Song, ein simpler Kellerkracher-Punksong, der
verdientermaßen zum Aushängeschild der Band wurde.
Martin Lücks Gedankenwelten entsprechen dem typischen Landleben-Idyll, aus dem mensch ausbrechen will und das geprägt ist von Langweile, Fernweh, Fernsehen, Party, frei sein wollen von
all dem hier und Sehnsucht nach „zufriedenen Gefühlen“. Gleichwohl sich die jungen Musiker loseisen wollten vom Rock-Epos und überkandidelten Mainstream-Gehabe, besitzen Songs
wie „Liebe, Glück, Zufriedenheit“ sehr wohl rockige Nuancen, die hier aber mehr nach Sex Pistols klingen. Neben „Bundeswehr“ ist auch „Immer der gleiche Scheiß“ synonym für Punk
aus den End-70er Jahren wie er auch von Bands aus der Düsseldorfer Art Punk-Schmiede serviert wurde. Auf der Platte trifft Zeitgeist und Zeitgeschichte auf unbedarfte Punk-Attitüde, um den Mangel
an Freizeitangeboten mit kreativer Veränderung und Protest kurzfristig einer anderen Lebensrealität anzupassen, um dem Trott aus Bauernhof-Idyll, Fernsehen und Dorf-Disco zu entfliehen. In der
Folge gibt es entweder Hausarrest, Ladenverbot oder ein Bewusstsein für die sozialen, politischen oder kulturellen Veränderungen, die in dieser Zeit stattfinden.