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Jamel rockt den Förster

Horst und Birgit Lohmeyer
Horst und Birgit Lohmeyer

Das „Jamel rockt den Förster“-Festival ist weit mehr als nur ein Musikereignis – es ist ein Symbol des Widerstands und der Gemeinschaft. Seit seiner Gründung hat sich das Festival zu einem bedeutenden kulturellen Ereignis in Deutschland entwickelt, das jährlich tausende Musikliebhaber*innen und Unterstützer*innen zusammenbringt. Die Veranstaltung zielt darauf ab, ein Zeichen gegen Rechts zu setzen und für Toleranz und Vielfalt zu werben.

Geschichte des Festivals

Das Festival wurde im Jahr 2007 von Birgit und Horst Lohmeyer ins Leben gerufen, die in dem kleinen Dorf Jamel in Mecklenburg-Vorpommern leben. Angesichts der zunehmenden Präsenz von Rechtsextremist*innen in ihrer Nachbarschaft entschlossen sich die Lohmeyers, ein starkes Zeichen der Toleranz und des friedlichen Zusammenlebens zu setzen.
Was als kleines, lokales Event begann, wuchs schnell zu einer bedeutenden Veranstaltung heran, die nationale und internationale Aufmerksamkeit erregte.
Die ersten Jahre waren von Herausforderungen geprägt, da das Festival immer wieder mit Anfeindungen und Bedrohungen konfrontiert wurde. Doch die Lohmeyers und ihre Unterstützer*innen blieben standhaft und das Festival entwickelte sich stetig weiter. Ein wichtiger Meilenstein war die Unterstützung durch prominente Musiker*innen und Bands wie u. a. DIE TOTEN HOSEN, DIE ÄRZTE, die ihre Solidarität bekundeten und das Event durch ihre Auftritte bereicherten.
Neben diesen bekannten Namen bekommen auch lokale und weniger bekannte Künstler*innen die Gelegenheit, ihre Musik einem bunten Publikum zu präsentieren.
Besondere Highlights sind nicht nur die musikalischen Darbietungen, sondern auch eine Vielzahl von Workshops und Aktivitäten. Besucher*innen können an Diskussionsrunden zu Themen wie Zivilcourage und Toleranz teilnehmen, sich an Kunstprojekten beteiligen oder einfach die entspannte Atmosphäre des Festivals genießen. Für die Sicherheit der Teilnehmer*innen wird ebenfalls umfassend gesorgt: Es gibt ein ausgefeiltes Sicherheitskonzept, das in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden entwickelt wurde.


Bedeutung und Einfluss

„Jamel rockt den Förster“ ist mehr als nur ein Musikfestival. Es ist ein starkes Statement gegen Rechts und für ein buntes, vielfältiges Miteinander. Durch die Unterstützung lokaler Künstler*innen und die Einbindung der Gemeinschaft wird ein klares Zeichen gesetzt: Musik verbindet Menschen über alle Grenzen hinweg und kann eine mächtige Kraft für positive Veränderungen sein.

Das „Jamel rockt den Förster“-Festival ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie Musik und Engagement Hand in Hand gehen können. Es steht für Toleranz, Vielfalt und den gemeinsamen Widerstand gegen Intoleranz und Hass. Jede*r, die/der die Möglichkeit hat, sollte dieses einzigartige Event besuchen und Teil einer Bewegung werden, die zeigt, dass Liebe und Musik die stärksten Waffen gegen Hass sind1.


Im Gespräch mit Birgit und Horst Lohmeyer


„Was als kleines, feines Sommerfest für Freund*innen, Verwandte und Kolleg*innen begann, entwickelte sich – beinahe zwangsläufig – zu einem ambitionierten gesellschaftspolitischen Projekt“, heißt es auf der Website. Welchen bedeutenden politischen Stellenwert hat das Festival in der Region erreicht?
    Einerseits ist es ein Stachel im Fleisch der Faschist*innen (von denen es hier leider viele gibt, nicht nur in Jamel) und auch bei manchen der hiesigen Kommunalpolitiker*innen ist es nicht wohlgelitten. Bringt es doch einmal im Jahr ihre Versäumnisse ans Tageslicht, was eine klare Abgrenzung und Sanktionierung gegen/von Rechtsextremist*innen anbelangt.
Andererseits sind sehr viele der Entscheider*innen aus der Landespolitik Mecklenburg-Vorpommerns (SPD) Unterstützer*innen unseres Festivals und sind froh, dass es ein so lautstarkes, lautes Zeichen „gegen rechts“ in ihrem Bundesland gibt.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Planung und Durchführung eines Festivals mit einem solch starken sozialen und politischen Fokus?
    Immer wieder wird das Festival sabotiert. Sei es ganz simpel durch Sachbeschädigungen am Equipment, Einschüchterungen unserer Helfer*innen oder Angriffe auf Festivalbesucher*innen und deren Fahrzeuge. Oder es wird vor dem Festival versucht, auf die genehmigenden Behörden bzw. die Gemeindevertretung, die uns Wiesen fürs Festival zur Verfügung stellt, Einfluss zu nehmen. Aktuell werden wir mit falschen Beschuldigungen und polizeilichen Anzeigen gegen uns konfrontiert und müssen viel Energie aufwenden, die haltlosen Vorwürfe zu entkräften und doch noch die fürs Festival existentiellen Genehmigungen zu erhalten. Unsere politischen Gegner*innen haben anscheinend das „social muting“2 für sich als Strategie entdeckt.


»Das Dorf Jamel ist für die deutsche Demokratie verloren.«


Das Festival ist nicht nur eine Unterhaltungsveranstaltung, sondern dient auch als Plattform für die Diskussion und Förderung von gesellschaftspolitischen Themen. Wie können sich die Ergebnisse regional in den Alltag umsetzen, um rechte Strukturen aufzulösen?
    Das gesamte Festival und besonders die Informationsstände und Workshops der gesellschaftlichen Initiativen und Gewerkschaften wirken als Empowerment für die Besucher*innen. Sie können sich hier im geschützten Rahmen über neueste Erkenntnisse der Sozialforschung, über Strategien im Umgang mit rechtsextremen Strömungen/Akteur*innen und über weitere gesellschaftspolitische Themenfelder wie Seenotrettung, kulturelle Bildung und Menschenrechtsförderung informieren, mit Gleichgesinnten austauschen und vernetzen sowie ihr erworbenes Wissen in ihren Alltag mitnehmen.
Rechte Strukturen aufzulösen ist ein sehr großes Ziel. Unsere Referent*innen haben eher das Ziel, Menschen fit zu machen, um antidemokratischen, rassistischen und anders diskriminierenden Phänomenen entgegenzutreten und sich aktiv für eine offene, demokratische Gesellschaft einzusetzen.

DIE ÄRZTE
DIE ÄRZTE

Wie hat sich das feindselige Klima und Dorfleben bis heute entwickelt und wo seht ihr Ansätze für eine positive Veränderung?
    Das Dorf Jamel ist für die deutsche Demokratie verloren. Die von den Faschisten bewohnten Gebäude sind private Immobilien, die sicherlich – sollte eine Familie wegziehen – von anderen Angehörigen der Naziszene besiedelt werden. Die Kinder werden sektenähnlich von jüngstem Alter an mit der rechtsextremen Ideologie infiltriert und zu beinharten Nazis erzogen. Wir nutzen das Dorf, seine Bewohner*innen und deren „Dekoration“ des Dorfes mit Nazidevotionalien daher nur als „Freilichtmuseum“ für die Nazistrategie der gezielten Besiedelung von Gemeinwesen und deren Auswirkungen. Für mehr taugt es nicht.

Ihr erhaltet generell Aufmerksamkeit und Unterstützung seitens der Politik. Wie konnten und können Politiker*innen euer politisches Anliegen denn konkret unterstützen?
    Indem sie zum Beispiel die Schirmherrschaft über unser Festival übernehmen, sich hier von unserer Bühne aus für den Kampf gegen die rechtsextreme Ideologie und deren Akteur*innen aussprechen und indem sie sich – hinter den politischen Kulissen – für die Festivalbelange einsetzen.

Wie haben ihr sicherstellen können, dass das Festival für Menschen aller Hintergründe zugänglich und inklusiv ist?
    Alle Hintergründe wollen wir hier bestimmt nicht haben. Nämlich keine Faschist*innen, Rechtspopulist*innen etc. Es gilt eine Ausschlussklausel für diese Personengruppen. Der Rest der Menschheit kann uneingeschränkt teilnehmen und profitiert von den bewusst/aus sozialen Gründen niedrig gehaltenen Ticketpreisen.

Welche Schritte habt ihr unternommen, um sicherzustellen, dass die Botschaften des Festivals über die Musik hinausgehend gehört und verstanden werden?
    Unsere gesamte PR (Pressemitteilungen, Medieninterviews, Auftritte als Speaker*innen und als Referent*innen der politischen Bildung, Teilnahme an Vernetzungstreffen) beziehen sich ausschließlich auf den gesellschaftspolitischen Background und Ansatz des Festivals. Denn über die auftretenden Künstler*innen bewahren wir ja seit Jahren im Vorwege Stillschweigen!

Welche Rolle spielen lokale Gemeinschaften und Organisationen bei der Organisation und Unterstützung des Festivals?
    Örtliche Gewerkschaften und lokale Institutionen, die sich mit Demokratieförderung beschäftigen, sind seit Jahren auf unserem Festival präsent. Auch zwei Schulen aus der näheren Umgebung machen einen Infostand auf dem Forstrock und bieten Workshops an.

Wie seid ihr mit potenziellen Sicherheitsbedenken umgegangen, insbesondere in Bezug auf große Menschenansammlungen und mögliche Kontroversen?
    Unser Festival wird seit Jahren bestens geschützt. Nicht nur durch unsere eigene Security auf dem Gelände, sondern auch durch die Polizei, die sich des Konfliktpotentials in diesem kleinen Dorf äußerst bewusst ist und während des Festivals zur Sicherheit aller in großer Stärke im Ort ist.

Welche Rückmeldungen habt ihr von Teilnehmer*innen und Künstler*innen erhalten? Gab es besonders inspirierende oder bewegende Momente während des Festivals?
    Na, Bela B. Aussage „Dies ist vielleicht das wichtigste Festival Deutschlands“ ging uns schon runter wie Öl. Auch Campino stellte sich als ernsthaft Interessierter an der hiesigen Problematik heraus und Die Toten Hosen unterstützen uns seit 2015 mit geballter Menpower beim Booking und der Festivalorganisation.

Welche langfristigen Ziele und Auswirkungen erhofft euch sich durch die Durchführung des Festivals?
    Wir wollen auch weiterhin die Bevölkerung sensibilisieren, ihr aufzeigen, welche Ziele Faschist*innen für unser Land haben, und dass es sich lohnt, Zivilcourage für eine offene und demokratische Gesellschaft zu zeigen. Drei Tage im Jahr wird das kleine Dorf Jamel von Demokrat*innen dominiert, die eine harmonische „Love & Peace“-Crowd bilden. Vielleicht bringt das zumindest die Kinder und Jugendlichen der Nazifamilien ein wenig zum Nachdenken, auf welcher Dorfseite es sich generell besser leben lässt.



Fußnoten: