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Tierbefreiung #123

Tierbefreiung #123
Tierbefreiung #123

Tierbefreiung #123
64 DIN-A-4-Seiten; €4,00.-  
die tierbefreier e.V., Postfach 160132, 40564 Düsseldorf
www.tierbefreiershop.de
     Die Schwerpunktausgabe des TIERBEFREIUNG-Magazins mit dem Titel „Tradition und Brauchtum“ beleuchtet auf tiefgründige Weise, wie Traditionen zur Aufrechterhaltung tierausbeuterischer, patriarchaler und kapitalistischer Strukturen beitragen. Die fünf Beiträge in dieser Ausgabe bieten eine umfassende Analyse der Rolle von Traditionen in Bezug auf die Nutzung und Tötung nichtmenschlicher Tiere, insbesondere unter dem Aspekt, dass diese Traditionen häufig auf ein idealisiertes, vergangenes „Goldenes Zeitalter“ verweisen.

Ein zentrales Thema dieser Ausgabe ist die Erzählstruktur, die Traditionen zugrunde liegt. Traditionen werden oft als unveränderliche Relikte aus einer vergangenen Zeit betrachtet, die dazu dienen, eine bestimmte soziale Identität zu bewahren. Der Beitrag von Günther Rogausch argumentiert, dass es bei der Aufrechterhaltung von Brauchtum und Tradition weniger um die sture Fortführung bestimmter Praktiken geht, sondern vielmehr um die Bewahrung eines identitätsstiftenden Narrativs. Diese Narrative, so wird in den Artikeln deutlich, unterstützen oft die Ausbeutung von Tieren, indem sie auf eine ungebrochene Linie von der Vergangenheit in die Gegenwart verweisen, die jegliche gesellschaftliche Entwicklung ignoriert.
Ein weiterer Beitrag untersucht die Rolle des Christentums und dessen Einfluss auf das Verhältnis zu nichtmenschlichen Tieren. Es wird gezeigt, wie religiöse Traditionen und Überzeugungen zur Legitimation der Ausbeutung von Tieren beigetragen haben und wie diese religiösen Narrative weiterhin in der Gesellschaft verankert sind. Hierbei wird die Frage aufgeworfen, inwiefern christliche Traditionen überdacht und reformiert werden müssen, um zu einem ethischeren Umgang mit Tieren zu gelangen.
Besonders bemerkenswert ist auch die Analyse der Darstellung von Tieren in Märchen. Märchen, als Träger kultureller Werte und Moralvorstellungen, spiegeln oft eine Gewaltbereitschaft gegenüber Tieren wider, die als „normal“ und „natürlich“ vermittelt wird. Diese tief verankerten Geschichten tragen dazu bei, Gewalt gegen Tiere zu rechtfertigen und als Teil der menschlichen Kultur zu normalisieren.
Ein weiterer Beitrag wirft einen kritischen Blick auf das Gänsereiten, ein Beispiel dafür, wie grausame Traditionen in unserer Gesellschaft fortbestehen und als kulturelles Erbe verklärt werden. Das Gänsereiten wird in diesem Artikel als nekrophiles Vergnügen beschrieben, das die enge Verbindung zwischen Tradition und Gewalt gegen Tiere aufzeigt. Hier wird deutlich, wie sehr solche Praktiken nicht nur tierausbeuterische Strukturen stärken, sondern auch ein patriarchalisches Weltbild unterstützen.

Gesamteindruck:

Die Ausgabe macht deutlich, dass Traditionen nicht einfach nur harmlose Bräuche sind, sondern mächtige Werkzeuge zur Aufrechterhaltung bestehender Machtstrukturen, einschließlich der Ausbeutung von Tieren. Traditionen dienen als Argument, um eine Rückkehr zu einem vermeintlich besseren „Früher“ zu fordern, was jedoch in erster Linie dazu beiträgt, bestehende Ungerechtigkeiten und Ausbeutungsverhältnisse zu legitimieren. Diese Schwerpunktausgabe des TIERBEFREIUNG-Magazins ist ein wichtiger Beitrag zur Dekonstruktion solcher Narrative und zur Förderung eines kritischeren Umgangs mit Traditionen, insbesondere in Bezug auf den Umgang mit nichtmenschlichen Tieren.