
Willkommen in der wunderbaren Welt der politischen Sondersitzungen und Sondierungsgespräche – jenen mythischen Versammlungen, in denen Wahlversprechen auf Realität treffen und sich in der Regel in wohlklingenden Phrasen auflösen. Die CDU und SPD liefern dabei seit Jahren eine Performance ab, die irgendwo zwischen Theaterstück und Improvisationskunst liegt.
Fangen wir mit der CDU an. Vor der Wahl: harte Linie, konservative Werte, wirtschaftliche Vernunft. Nach der Wahl: „Nun ja, man muss ja auch Kompromisse eingehen“. Erst hieß es noch
„Steuererhöhungen sind mit uns nicht zu machen!“, dann kommt der Koalitionspartner mit leuchtenden Augen und einem Entwurf unter dem Arm: „Wie wäre es stattdessen mit einer Abgabenanpassung?“.
Plötzlich wirkt das Wort „Erhöhung“ gar nicht mehr so schlimm, wenn es in freundliche Worthülsen verpackt ist.
Und dann ist da noch die Mär von der Abschaffung der Schuldenbremse. Erst poltert die CDU, allen voran Friedrich Merz, dass das natürlich unter gar keinen Umständen geschehen darf – schließlich
stehe man für solide Finanzen. Doch kaum wird der wirtschaftliche Druck zu groß, fängt das große Zurückrudern an. Plötzlich spricht Merz von „notwendigen Anpassungen“, „flexibler Handhabung“ und
„neuen Finanzierungswegen“. Das klingt fast so, als hätte man sich doch inspirieren lassen – vielleicht sogar von der SPD?
Apropos SPD: Vor der Wahl: soziale Gerechtigkeit, Mindestlohn, Rentenreform, große Versprechen an den kleinen Mann. Nach der Wahl: der große Mann in der Sondersitzung murmelt etwas von
„notwendiger Koalitionsdisziplin“ und „wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“. Auf einmal gibt es doch gute Gründe, warum die Rente doch nicht ganz so reformiert wird und warum der Mindestlohn nicht
so schnell steigen kann. Aber keine Sorge, es gibt dafür einen Ausschuss, der sich in den nächsten vier Jahren intensiv mit dem Thema beschäftigen wird.
Die Krönung der Farce sind die Koalitionsverhandlungen. Das Drehbuch ist stets dasselbe: Zuerst verkündet jede Partei, dass sie auf keinen Fall von ihren Kernanliegen abrücken wird. Dann folgen
wochenlange Gespräche, begleitet von bedeutungsschweren Aussagen wie „Es gibt noch viel zu tun“ oder „Wir sind auf einem guten Weg“. Am Ende steht ein Koalitionsvertrag, der so viele Kompromisse
enthält, dass ihn eigentlich niemand wirklich gut findet – außer natürlich die Politiker, die ihn gerade unterschrieben haben.
Was bleibt am Ende für die Wählerinnen und Wähler? Eine Regierung, die beteuert, dass sie ihre Versprechen ernst nimmt – zumindest jene, die nach den Verhandlungen noch übrig sind. Der Rest
wurde, wie immer, für das höhere Wohl geopfert. Oder, wie es ein erfahrener Politiker einmal sagte: „Wahlversprechen sind keine Lügen – sie sind kreative Interpretationen der Zukunft.“